Montag, 18. Oktober 2010

Kolkata II

Um es kurz zu sagen: Das Wochenende war gut. Beweisvideo:


Der Reihe nach:

Freitag
ist eigentlich Vorlesungstag. Die Flüge morgens waren aber viel billiger als am Abend, also fehlen wir heute einfach und hoffen, dass es Niemanden stört. JJ, ein netter Inder, den wir in der Mensa kennen gelernt haben, hat uns nach Kolkata eingeladen, wo er zusammen mit seiner Familie Durga Puja feiert. In einigen Teilen Indiens (z.B. Kalkutta) ist es das wichtigste Fest des Jahres.

JJ holt uns vom Flughafen ab und bringt uns zu sich nach Hause. Er ist natürlich mit dem Bus zum Flughafen gekommen, wir können ihn schnell davon überzeugen, dass wir auch mit dem Bus fahren können und er nicht für uns ein Taxi holen muss. Die Eltern wohnen in einem Vorstadtbezirk, hier ist es relativ ruhig und für indische Verhältnisse extrem sauber.

Von der Bushaltestelle aus geht es weiter mit einem „Van”. Davon fahren hier einige durch die Gegend.

Die Familie wohnt in einem kleinen Häuschen, 2 Stockwerke, Dachterrasse. Die Mama hat für uns Mittagessen gekocht, Dal mit Reis (wer hätte es gedacht), es ist lecker.

Nach dem Mittagessen geht die ganze Familie mit uns los, um ein paar Tempel zu besuchen, die zu Durga Puja besonders wichtig sind. Von links nach rechts: Arne, ein Freund von JJ, Mama, Papa, JJ (im Hintergrund), Schwester.

Die Züge sind heute nicht so voll, es ist Feiertag.

In diesem Tempel ist der Papa von JJ Kassenwart. Im Hintergrund ist die Göttin Durga zu sehen, die Menschen bringen ihr Blumen und Süßigkeiten als Opfergaben.

Dieser Tempel ist von einem anderen Kaliber. Innendrin darf man nicht fotografieren, also keine Bilder. Wir können trotzdem auch hier die Göttin Durga sehen. Eigentlich muss man sich anstellen, einige Leute warten schon seit Stunden. Aber als Gäste aus dem Ausland werden wir vorgebeten, und die Familie von JJ ebenfalls. Also sind wir in kürzester Zeit durch und wieder unterwegs...

...zum Fluss. Wir wollen noch zu einem anderen Tempel schräg gegenüber, der schnellste Weg ist per Boot. Unten werfen Leute Blumen in den Fluss, dafür darf man sich dann etwas von Mutter Ganges wünschen. Ich werfe auch eine Blüte herein, die mir vorher in dem Tempel geschenkt wurde.

Im Wasser sind junge Männer am Tauchen. Sie sammeln die Geldmünzen ein, die von den anderen Menschen als Opfergabe hereingeworfen wurden, und bewahren die Münzen dann in ihrem Mund auf. Wenn man genau hinsieht, kann man sehen, dass ihre Backen ausgebeult sind und sich sogar die Hautfarbe vom jahrelangen Münzsammeln an den Backen geändert hat. Ganz gesund ist das nicht.
Im Hintergrund außerdem eines von den Booten, mit denen wir gleich übersetzen.

Wir müssen in der Schlange anstehen, währenddessen dämmert es. Die Verladeprozedur ist abenteuerlich, es ist beruhigend zu wissen, dass man schwimmen kann.

Mit der ganzen Familie geht es auf die andere Seite, hier ist noch ein Tempel, den ein reicher Inder hat bauen lassen. Das Gebäude mit den Schnörkeln sieht alt aus, ist aber anscheinend relativ neu. Keine Anzeichen von Verwitterung oder Alter, kein Fleckchen ist zu sehen.

Spät abends mit dem Bus nach Hause. Es fühlt sich sehr nach Schlafenszeit an, aber Gäste kann man ja nicht ohne Abendessen ins Bett gehen lassen. Also kocht Mama mit Schwester noch schnell etwas...

Hier entstehen gerade kleine Teigfladen, die frittiert werden und dabei zu einem hauchdünnen knusprigen Ballon werden. Dazu gibt es Curry und Reis...

Samstag
beginnt früh morgens, zumindest theoretisch. Wir wollen uns heute die Sunderbans anschauen und danach wieder zurück nach Kalkutta fahren. Die Familie hatte wohl geplant, den Zug um 5:50 zu nehmen, und hat deshalb den Wecker auf 5:50 gestellt. Nach dem Aufstehen stellen wir dann fest: Huppsa, für den Zug ist es zu spät.
Den Zug um 6:50 verpassen wir, weil Arne und ich mit dem Schuhe anziehen darauf warten, dass es ein Startsignal von der Familie gibt, während die Eltern uns nicht hetzen wollen und kein Startsignal geben wollen, bevor wir nicht die Schuhe anhaben. Sowas merkt man erst im Nachhinein.
7:25 und 7:50 verpassen wir, der Zug um 8:25 ist schließlich unserer. Frühaufstehen auf Indisch.

Der Papa ist Lehrer in einer Dorfschule in den Sunderbans. Er pendelt jeden Morgen 3 Stunden hin, und abends 3 Stunden zurück. Wir fahren in die Gegend, wo seine Schule ist und wo auch seine Eltern (also JJs Großeltern) noch leben, weit ab von allen Touristenströmen.

Mit der Metro...

...geht es bis zur Endstation (1.5 Stunden).

Danach geht es mit einem Boot über den Fluss (5 Minuten).

Weiter geht es mit einem Bus (1 Stunde). Große Busse gibt es hier nicht mehr, denn alle Fahrzeuge müssen mit dem Schiff hierhin kommen.

An der Endstation des Busses geht es mit dem Jeep weiter (30 Minuten). Wir sitzen mit mehr als 30 Personen in diesem Fahrzeug, davon gibt es aber kein Foto mehr, denn an den Fotoapparat kommt man dann auch nicht mehr dran.

Der Jeep fährt bis zum nächsten Fluss, wo es dann nur noch mit noch kleineren Booten weitergeht (5 Minuten).

Auf der anderen Seite geht es mit einem Motorvan weiter (15 Minuten)...

Bis wir schließlich auf den Fahrradvan umsteigen müssen (5 Minuten).

So einfach ist das. Wenn ich das jeden Tag hin und zurück machen müsste würde ich schreien.

Der Papa besucht jetzt ein paar Bekannte, während JJ mit uns einen kleinen Streifzug macht. Wir haben eigentlich nicht viel Zeit, da wir am Morgen so viele Züge verpasst haben und ja noch am gleichen Tag zurück nach Kalkutta wollen.

Die Sunderbans fangen auf der anderen Flussseite an, ein Mangrovenwald. Hier gibt es alle möglichen Tiere, zum Beispiel den Bengalischen Tiger. Die Bewohner der Häuser hier gehen gelegentlich in den Wald, um Honig zu sammeln. Das ist allerdings gefährlich: Manchmal hat der Tiger Hunger.

Ein Kumpel von JJ wohnt in einem Haus in der Nähe und zeigt uns die Gegend. Ein kurzer Regenschauer macht alles rutschig. Wir verlieren noch mehr Zeit.

Die Bewohner der Gegend leben noch sehr naturverbunden. Es gibt weder Strom noch fließendes Wasser, und Waren aus der Stadt sind auch selten. Es gibt weder ein Gasthaus, noch ein Restaurant, kein Wasser in Flaschen und auch sonst nichts aus der Stadt. Zumindest die Gegenstände des täglichen Bedarfs werden hier selbst hergestellt.

Manche Häuser haben aber wenigstens eine kleine Lampe, die tagsüber aufgeladen wird.

Es ist ruhig und die Luft ist sauber.

Irgendein Zyklon hat in den letzten Jahren die Gegend verwüstet, die Regierung baut gerade neue Pflasterwege.

Die Boote werden von örtlichen Handwerkern gebaut.

Der grüne Streifen auf der anderen Seite des Flusses ist bereits Bangladesh.

Zu Besuch bei irgendwelchen Bekannten: Es gibt frische Kokosnuss.

Und dann passiert das „Unglück”: Wir sind durch die vielen Verzögerungen so spät dran, dass wir es nicht mehr nach Hause schaffen werden. Also fragt der Papa, ob es wohl in Ordnung ist, wenn wir über Nacht bei den Großeltern bleiben. Ja, das ist ok.

Nach Einbruch der Dunkelheit kommen wir an. Der Opa von JJ ist 91 Jahre alt, kümmert sich immer noch um seinen Garten mit den 30 Bananenstauden, den Mangobäumen, den Kokosnusspalmen und dem Reisfeld. Abends knüpft er Fischernetze. Die Oma kocht für uns ein Abendessen. Bzw für mich: Arne hat sich den Magen verstimmt und isst nichts.

Es gibt Reis aus eigenem Anbau, frische Bananen vom Bau, Linsensoße aus eigenem Anbau, Wasser aus dem eigenen Brunnen, Kokosnussmilch, Milch von den eigenen Kühen. Das Feuer brennt mit getrockneten Kuhfladen. Es qualmt etwas im Haus, aber es passt zur rustikalen Stimmung. Die Großeltern freuen sich, dass wir da sind. Wahrscheinlich sind wir die ersten Weißen, die seit der britischen Besatzung das Dorf besuchen.

JJ, Arne und ich schlafen zu dritt in einem Bett unter einem Moskitonetz. Ventilatoren gibt es natürlich nicht, es ist wahnsinnig warm. Morgens gibt es natürlich keine Dusche, aber einen Eimer Wasser aus dem See. Nach einem westlichen Klo muss man wahrscheinlich in 30km Umkreis nicht suchen. Und trotzdem: Ich fühle mich hier wohl.

Sonntag
geht es leider wieder zurück.

Papa, JJ, Opa, Oma und Arne vor dem Haus.

Der hauseigene Tempel (links) und der traditionelle Reisspeicher (rechts).

Totale: Das Haus bei Sonnenaufgang. Wir wollen früh los.

Zum Abschied kommt das ganze Dorf zusammen: Jeder will die weißen Gäste sehen. Die andere Flussseite ist Bangladesh. Der Soldat im Bild kommt auch vorbei, um uns die Hand zu schütteln. Eigentlich möchte er uns noch auf Einladung seines Kommandanten die Armeebasis zeigen, aber wir müssen los. Schade eigentlich.

Kuhl hier.

2 Videos von der Rückfahrt will ich noch zeigen. Etwas ruckelig, aber trotzdem sehenswert. Das ist der normale Wahnsinn im Dorf, Fotos zeigen ja immer nur besondere Augenblicke.

Eine Minute mit dem Fahrradvan.

Zwei Minuten auf dem Motorvan.

Arne fühlt sich noch nicht so recht, während ich fröhlich das Mittagessen aufesse. Es gibt ein Hühnchencurry, ein Fischcurry, und ein Krabbencurry. Dazu Reis. Alles sehr lecker, JJ genießt mit großer Freude das Essen von seiner Mama, für ihn ist es ja auch Heimaturlaub, bevor er 2 Tage später als wir wieder nach Mumbai zurückfährt.

Der Abschied ist sehr emotional, die Mama weint, als wir das Haus verlassen. Wir müssen versprechen, nächstes Mal mehr Zeit mitzubringen.

Der Rest ist eine Ansammlung von Bildern von der folgenden Kalkutta-Expressbesichtigung: 2 Stunden für JJ, um uns seine Stadt zu zeigen, bevor wir zum Flughafen müssen.

Er zeigt uns kurz die Gegend, in der er seinen Bachelor gemacht hat (ans IIT ist er für seinen Master gekommen).

Hauptgebäude von seinem College, mitten in Kalkutta. Nett.

Das hier ist kein Fahrzeug aus Death Race, sondern eine Straßenbahn...

Ein goldener Tempel...

In dem die Göttin Durga ihren letzten Tag zusammen mit der Mona Lisa friedlich zusammenlebt. Das Bild ist wohl kein Abdruck sondern eine handgemachte Kopie, die Mona Lisa hat ein paar Beulen, die das Original glaube ich nicht hat.

Main Gate der University of Calcutta.

Ein Wohnheim mitten in der Stadt...

Und schon müssen wir zum Flughafen. Viel Zeit war nicht.

Eingang zur Metrohaltestelle „Central”.

Sicherheitskontrolle im Flughafen. Jeder muss durch die Sicherheitskontrolle, außer dem Premierminister, ein paar Botschaftern, der Präsident, und seine Heiligkeit, der Dalai Lama.
Meine Kontrolle dauert sehr lange: Der Offizier möchte mit mir die Weltmeisterschaft 2010 besprechen und fragt mich nach meinem Lieblingsfußballspieler. Derweil muss die Warteschlange hinter mir leider warten.

Rückflug wieder mit SpiceJet, keine Zwischenfälle. In Mumbai wird auch Durga Puja gefeiert, auf der Rückfahrt sehen wir, wie eine Menge von Durga-Göttinen im Lake Powai ersäuft werden.

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