Donnerstag, 17. Juni 2010

Auf nach Nepal

Unsere Wäsche ist gerade noch rechtzeitig aus der Wäscherei zurückgekommen und der Rucksack wird heute Abend gepackt. Die Wanderschuhe sind leider nicht mehr angekommen. Also geht es jetzt auf leisen Sohlen los in Richtung Nepal: Morgen früh um 4:00 Uhr verlassen wir das Wohnheim.

Der Blog wird wahrscheinlich solange schlafen, am 05. Juli melde ich mich dann hoffentlich mit vielen tollen Bildern und Eindrücken zurück. Danke fürs Lesen und bis in 2 Wochen.

Dienstag, 15. Juni 2010

Das Plastik mit dem Apfel

Das Leben steckt voller Überraschungen.
Sonntag Abend war gerade dabei, sehr gut zu werden. Das Programm für mein Projekt hat auf einmal funktioniert, ich habe überraschend schnell mit mehr Glück als Verstand an den richtigen Stellen gefrickelt und auf einmal lief alles. Und das, wo ich noch zwei Wochen Zeit habe. Genug Zeit zum Dokumentieren, Testen und Vergleichen. Voller Stolz bin ich mit meinem Laptop rüber zu Arne und habe es ihm gezeigt. Danach sage ich mir: besser mal ein Backup von dem ganzen Kram machen, jetzt wo alles geht.
Konsole zum Kopieren geöffnet - reagiert nicht. Alle Programme stürzen nach und nach ab. Rechner reagiert nicht mehr. Reset - fährt nicht mehr hoch. Komische Geräusche aus dem Macbook.

Festplatte kaputt.
Musik: weg.
Arbeit: weg.
Laune im Keller.

Deutschland - Australien: 4 - 0.
Laune immer noch im Keller.

Am nächsten Tag startet das Projekt "Macbook-Wiederbelebung". Dafür brauche ich nur eine interne 2.5 Zoll Festplatte. Einfach. Und einen Schraubenzieher für extrem winzige Kreuzschlitzschrauben und Torx. Auch einfach. Zumindest wenn man zu Hause ist und weiß wer sowas hat.

Prof. Kannan ist zur Zeit nicht da, stattdessen Professor Chittur aus Alabama; er hat am IIT studiert und ist seit den 70er Jahren in den USA - inzwischen als Prof. Mit ihm wollen wir uns sowieso am Morgen treffen, um ihm den aktuellen Stand unserer Arbeit zu geben. Er organisiert uns einen Schraubenzieher in der passenden Größe. Dass ich den so schnell bekomme hätte ich nicht gedacht. Danach kommt der schwierige Teil. Für mehr Anschauung habe ich eine kleine Karte gemalt.

Wo gibt es Festplatten? Na klar, im Elektronikmarkt. Ein angeblich sehr guter Elektroladen ist Croma. Wir schnappen uns eine Rikscha und düsen hin. Dauert eine gute halbe Stunde.
Bei Croma gibt es alles: Waschmaschinen, Toaster, Küchen, iMac und Macbook, Kopfhörer... Aber keine Einzelteile. Festplatten: Fehlanzeige. Man rät uns, es in der R-Mall zu probieren. Oder nach Hiranandani zu fahren, da gäbe es einen Apple-Support. Wo kommen wir eigentlich gerade her?

10 Minuten später in der R-Mall ein weiterer Elektronikmarkt. Wieder keine Festplatten. Man schickt uns zu Croma, da gäbe es so etwas.

Wir nehmen stattdessen den Zug nach Dadar und steigen dort um in einen weiteren Zug zur Grant Road. Inzwischen sind wir Zugfahrexperten. Wir kaufen uns keine Fahrkarten mehr sondern ein Couponheft. Darin sind lauter einzelne Scheine à 1 Rupie, auf einer Karte sind die Fahrpreise verzeichnet. Unsere Strecke kostet Rs 8, wir stempeln also 8 Scheinchen ab und quetschen uns in den nächsten Zug. Gepäckabteil. Nach nur 2.5 Stunden sind wir da. Hier in der Nähe gäbe es eine Straße voller Elektronikläden, Ankit hat hier seinen Computer gekauft. Wir finden uns wieder in einer Straße voller Verkaufsstände, es gibt hier Hosen, Schuhe, unendlich viele Menschen (ungefähr so dicht wie auf dem Weihnachtsmarkt) und dazwischen noch Taxis und Mofas. Mir platzt der Schädel, überall Menschen. Und ich will doch nur eine verdammte Festplatte. Inzwischen ist schon 16 Uhr, wir sind den ganzen Tag unterwegs.

Endlich Land in Sicht: In einer Seitenstraße ist alles voll mit kleinen Läden (jeweils ungefähr so groß wie ein kleiner Dönerladen) die allesamt Hardware verkaufen. Wir nehmen den erstbesten Laden, das Angebot stimmt. Kaufen und zurück.

Nochmal umsteigen, zwei Stunden Bahn. Ein hungerndes Kind bettelt mich an und will etwas zu Essen. Ich habe nichts. Nur miese Laune. Immerhin ist mein Rechner gerade kaputt. Rikscha zum Wohnheim. Notebook schnappen, ins Labor, Festplatte einbauen. Essen, schlafen. Das war der ganze Tag.

Der nächste Tag geht fast komplett mit der Installation drauf, die natürlich nicht reibungslos läuft. Außerdem sitzen wir über 2 Stunden bei Chittur im Büro und reden über dies und das - Indien, Europa, die USA, wie er damals nach Amerika kam... Kann man sich vorstellen, in Deutschland mit einem Prof stundenlang und völlig ungezwungen einfach so über Gott und die Welt zu reden?

Später noch mit einem weiteren Äthiopier von unserer Etage beim Tiffin (Nachmittagstee) in der Kantine verquatscht. Sein Vater ist gestorben als er ganz klein war, er arbeitet seit er 10 Jahre alt ist; seine Schwester muss zur Zeit mehr arbeiten, damit er studieren kann. Es geht ihm sehr gut.

Und ich habe Probleme, denn meine Musiksammlung ist weg.

Sonntag, 13. Juni 2010

Kurz

Gestern beim Friseur gewesen. Jetzt wehen mir beim Rikschafahren auch nicht mehr die Haare in die Augen. Der nette Inder der mit die Haare schneidet spricht nur wenig englisch - was er aber sagen kann ist, dass die tollen Pflegeprodukte die er mir gegen trockenes Haar auch noch verkaufen kann "nano-technology" enthalten und voll gut sind. Nein, danke.
Eine weitere Inderin läuft mit einem strahlenden Lächeln und einem riesigen Spiegel in der Hand durch den Friseursalon und steht immer bereit, wenn ein Kunde sich selbst von hinten betrachten möchte (oder der Friseur findet, dass er es sollte). So eine niedere Handreichung macht hier natürlich kein Friseurmeister...
Der Tee wird von einer weiteren lächelnden jungen Frau serviert.
Und das Wasserglas von noch einer weiteren.
An der Kasse stehen noch zwei Leute, die nur darauf warten, dass alle halbe Stunde mal wieder jemand bezahlen möchte. In der Zwischenzeit lächeln sie nett.

Freitag, 11. Juni 2010

Warum eigentlich...

nimmt man zum Arbeiten nach Indien einen Laptop mit Akku mit? Heut war der Strom für insgesamt fast 6 Stunden weg - mit kurzen Unterbrechungen, die lang genug waren, um den Akku voll genug zu halten. Also: den ganzen Tag arbeiten ohne Entschuldigung, und ohne Internet (Strom is ja weg...) sogar ohne Ablenkung.
Gleich gehts wieder in die Mensa. Eine kleine Beobachtung aus der Kantine: Bei uns in Deutschland entnimmt man die belegten Brötchen fein säuberlich mit einer Zange - hier gibt es zum Abendessen einen Grabbeltisch mit Brot. Jeder wühlt sich das schönste Stück heraus. Mjam.

Montag, 7. Juni 2010

Der Hügel bei Regen

Heute mit Julian aus Singapur und Louis und Maxim aus Frankreich wieder auf dem Hügel gewesen. Das Wetter wird jeden Tag konstant unberechenbarer. Auf dem Weg nach oben gab es einige heftige Regengüsse. Zwischendurch auf einmal heftiger Wind, klick an, die Luft voll mit aufgewirbelter Erde und Blättern, die Straße hinter uns wird durch herunterfallende Äste unpassierbar. Eine halbe Minute später, klick, Wind wieder aus. Sehr seltsam.

Die Landschaft wird schon grüner.

Beim Obststand anschließend werden wir von einer Horde Insekten beim Essen geplagt. Das geht jetzt leider auch los.

Gestern im Supermarkt...


Gummibärchen haben wir aber immer noch nicht gefunden :-(

Es regnet jetzt täglich, aber noch nicht viel und zwischendurch ist es immer wieder mal sonnig.

Samstag, 5. Juni 2010

Zeitreise

Man bekommt als Tourist ja so einiges zu sehen - auch Matheran steht in unserem Reiseführer. Aber die letzten zwei Tage waren wirklich besonders. Ich werde Versuchen, den Berg an neuen Eindrücken für euch in diesen Blog zu zwängen.
Das ganze mit meinem neuen Handy-Internet (Modemgeschwindigkeit, aber immerhin geht es endlich), das Internet auf dem Campus ist ausgefallen und soll angeblich erst am Montag wieder gehen. Irgendein größeres Problem...

Diesmal ging es Donnerstag morgens schon um 4:00 Uhr los, um diese Zeit sind Rikschas auf dem Campus schwer zu finden, wir müssen fast eine viertel Stunde laufen bevor es dann motorisiert bis zur Borivali Train Station geht, dem nächsten Fernbahnhof von hier aus. Wir haben mit viel Glück noch zwei Sitzplätze reservieren können, die Züge hier wie immer heillos überfüllt. Eine gute (klimatisierte) Klasse war auch nicht mehr verfügbar, also sitzen wir im Warmen. Natürlich nicht nebeneinander, und der Wagen wird noch richtig voll, irgendwann gibt es auch keine Stehplätze mehr. Die Fahrt dauert 4 Stunden, ich schlafe. Arne hat die Augen nicht ganz so schnell zu und muss sich den vielen Fragen der umstehenden Inder stellen. Muha


Schließlich kommen wir ohne große Vorkommnisse in Surat an. Natürlich werden wir abgeholt. Oder eben auch nicht. Unser Freund Harry verspätet sich eine halbe Stunde. Wir haben solange Zeit, uns den schönen Bahnhof anzusehen.


Ich mag die saubere und wohnliche Atmosphäre von indischen Bahnhöfen. Zwischen den Gleisen steht ein Gewässer, Müll wirft hier jeder einfach auf den Boden. Aus dem Zugfenster sowieso.
Harry kommt mit seinem Bruder, der leider kein Englisch spricht - auf dieser Tour wäre Hindi tatsächlich sehr praktisch gewesen.
Die bettelnden Kinder am Bahnhof schütteln wir ab, indem wir uns in Harrys Auto flüchten - ein klimatisierter nagelneuer Tata (kein Nano, irgendein hübsches Modell) und uns schnurstracks auf den Weg machen. Surat ist mit 3 Millionen Einwohnern nur eine kleine Stadt, wir sind deshalb schnell draußen und auf der Landstraße unterwegs. An einer unscheinbaren Stelle zweigt ein unbeschilderter, immerhin geteerter Weg nach rechts ab. Ein paar Kilometer auf der einspurigen Straße, ein paar Hügel hoch und runter, und schon sind wir bei Harrys Feldern.


Sein Bruder (hier neben Arne) bleibt bei den Arbeitern und hilft Gemüse zu sortieren, wir bekommen währenddessen eine Tour durch die Plantage.


Harry (Mitte) führt uns.


Hier läuft die Ware nicht vom Band usw. Die Arbeiter freuen sich alle, uns zu sehen. Überhaupt sind wir die große Attraktion des Jahres: Es ist angeblich mehr als 5 Jahre her, dass zuletzt Ausländer im Dorf zu Besuch waren. Wir bekommen frische Bananen (wirklich an der Palme gereift :-) ) und frische Mangos. Wahnsinn, das toppt alles.

Hier wächst irgendein längliches, bohnenähnliches Gemüse. Harry kennt den englischen Namen nicht, und ich habe das Zeug noch nie gesehen.

Zum Erfrischen holt Harry Wasser aus dem Brunnen, das ist sogar kalt! Kleine Dusche für die Füße, dann gehts weiter durch die Bananenplantage. Die Felder werden alle automatisch mit Wasser aus dem Kanal tröpfchenbewässert, hier hat moderne Technik bereits Einzug gehalten und der Brunnen ist nicht mehr so wichtig wie früher. Jeder freut sich auf den Monsun: Die Wasserrechnungen in den trockenen Monaten sind für die Farmer natürlich ein Problem.


Wir sehen selbstverständlich auch Harrys Haus, seine Frau, seine Kinder, seine Nachbarn, die Nachbarskinder, die Freunde, den Dorfprediger, den Polizisten, den Dorfältesten, deren Kinder, Kindeskinder und Ahnen, Freunde und alle anderen auch. Wir bekommen überall Tee angeboten. Die Rollenverteilung ist noch sehr traditionell: Wir sitzen mit den Männern, männlichen Jugendlichen und kleinen Jungen redend auf dem Sofa, während die Frauen servieren und die benutzten Becher auf Tabletts heraustragen. Harry wollte uns etwas Gutes tun und hat extra für uns eiskalte Cola gekauft, für die Leute vor Ort ist das eigentlich zu teuer. Ablehnen geht natürlich nicht (wir haben es probiert!), also trinken Arne und ich als einzige andauernd Cola, während wir eigentlich auch ganz gerne Wasser hätten...


Die Dorfschule.
Einige von den Jungs können tatsächlich recht gut englisch. Als Deutsche werden wir als erstes nach Adolf Hitler gefragt, der Dorflehrer hat die Geschichte Europas nicht ganz richtig verstanden und ihn als bewundernswerten Mann dargestellt, der sich vom einfachen Arbeiter zum Staatsoberhaupt hochgearbeitet hat. Die Kinder sind begeistert von ihm und sehen ihn als großes Vorbild. Dass er mehrere millionen Menschen umgebracht hat? Naja, das wäre eben Krieg gewesen. Aha.
Wir sehen außerdem haufenweise Hochzeitsfotos: Ganze Fotoalben werden uns vorgelegt. Beim Ersten ist es tatsächlich sehr interessant: indische Hochzeiten sind sehr schön bunt. Irgendwann blättern wir höflich nur noch immer weiter, zum Schluss sehen wir noch die Beerdigungsfotos von einem Opa von irgendwem (die genauso bunt sind).


Wir besteigen auch den Wasserturm, von da oben hat man einen super Überblick über das Dorf. Oben versammelt sich das halbe Dorf mit uns, wir essen Mangos. Ziemlich gut.

Anschließend nimmt Harry uns auf eine weitere kleine Tour durch die Felder, ein anderer Bruder von ihm kommt ebenfalls mit, er spricht gut englisch.


Wir essen alles: Lustige klebrige Beeren, andere lustige Früchte, Gurken und Zuckerrohr. Letzteres ist beim Reinbeißen sehr holzig, aber wenn man drauf rumkaut schmeckt es tatsächlich angenehm süß und ist sehr saftig.

Sieht fast aus wie in Europa. Nur dass links und rechts kein Mais wächst, sondern Zuckerrohr.


Nur den Chilli, den essen wir nicht pur.

Der Abend geht weiter mit einer Tour auf dem Traktor, die an einer Raststätte an der Landstraße endet. Durch die warme, saubere Abendluft hoch auf dem Traktor fahren, Wind im Gesicht. Fühlt sich an wie Urlaub. Arne und ich haben auf einmal wieder eine Cola in der Hand. Ein Lastwagenfahrer möchte uns noch das Innere seiner Fahrerkabine zeigen, welches er sich sehr schön mit bunten Teppichen hergerichtet hat. Nett. Auch auf dem Rückweg halten alle Motorradfahrer, die uns überholen, an um mit uns zu reden. Harry ist der Held des ganzen Dorfes: Er hat Ausländer vorbeigebracht. Fast alle bieten uns einen Platz auf ihrem Motorrad an, hohe Gäste auf einem Traktor sind wohl nicht ganz standesgemäß. Aber wir bleiben wo wir sind.
Danach: Abendessen zu Hause.
Harrys Frau hat extra für uns Hühnchen gemacht. Nur Harry und uns wird diese Ehre zuteil, alle anderen essen vegetarisch. Am nächsten Tag weiß das ganze Dorf, dass wir Hühnchen hatten. Fleisch isst man hier wohl wirklich nie. Es ist mir fast ein bisschen unangenehm, dass die Leute sich für uns so sehr in Aufwand und Unkosten stürzen.

Abends schauen wir noch beim Cricketground des Dorfes vorbei, hier wird jeden Abend gespielt. Cricket ist in Indien der Sport schlechthin, man ist hier immer etwas enttäuscht dass wir Cricket weder spielen können, noch indische Spieler oder wenigstens die Regeln kennen. Lauter Bildungslücken. Wir trinken am Spielfeld noch etwas (diesmal können wir Harry wenigstens überreden, uns Wasser zu kaufen; eigentlich brauchen wir gar nichts. Aber komplett Ablehnen endet immer in noch einer Flasche Cola, ich bekomme ein schlechtes Gewissen...). Die leeren Getränkekartons wirft man auch hier auf dem Land einfach auf den Boden. Sogar auf dem Sportplatz. Was die Müllentsorgung angeht können die Inder wirklich noch etwas dazulernen.

Auf dem Rückweg schauen wir noch bei ganz vielen Leuten zu Hause vorbei, sehen lauter Wohn- und Schlafzimmer, bis wir schließlich bei Harry ankommen und zu Bett gehen können.


Das Haus (hier ein Foto vom Tag) besteht aus zwei großen Räumen, bei uns im Zimmer schlafen auch die Kinder und Harry. Außer uns schlafen alle auf dem Boden, wir bekommen das einzige Bett. Harry liegt am Fußende unseres Bettes, als ich nachts anfange meine Füße zuzudecken springt er sofort auf und hilft mir mit der Decke. Wie Könige werden wir behandelt.

Am nächsten Morgen ein kurzes, einfaches Frühstück. Wir haben Harry lang und breit erklärt, dass wir gerne zum Frühstück sehen würden, was hier jeden Tag morgens aufgetischt wird. Zuerst bietet uns Harry an, zweimal zu Frühstücken: Einmal einfach, und dann für uns nochmal richtig.


Aber irgendwie klappt es dann nach einigem Hin und Her doch: Wir bekommen das normale Frühstück. Sehr leckeres Brot, dazu der gute Tee. Einfach und lecker.


Dann das Highlight: Wir haben Harry gesagt, dass wir nicht so gerne schwimmen möchten, und er hat stattdessen seinen Cousin gebeten, uns auf eine kleine Tour mit dem Ochsenkarren mitzunehmen. Yeeeeha. Wahrscheinlich sind wir die ersten Hückelheims seit drei Generationen, die auf so etwas sitzen, zu Omas Zeiten sind die ja schon langsam verschwunden aus Europa...


Die Fahrt ist unbeschreiblich holprig, aber ein tolles Erlebnis. Die Ochsen sind sogar zeitweise relativ zügig unterwegs. Die Kinder an Bord freuen sich auch, dass sie mitfahren dürfen. Und wieder bieten uns alle Vorbeikommer an, auf ihren Motorrädern mitzufahren. Weiße Menschen auf einem Ochsenkarren? Das geht ja gar nicht!


Kurze Pause für die Ochsen: Unser Fahrer zeigt uns auch noch kurz seine eigenen Felder.
Ein netter Herr, der uns als reichster Mann des Dorfes vorgestellt wird, bietet uns schließlich eine Fahrt in seinem Volkswagen an.

Wir lehnen dankend ab, denn der Ausblick vom Karren ist viel interessanter. Der VW-Besitzer ist ein bisschen enttäuscht als wir mit Harrys Cousin und den Kindern weiterzuckeln. Die Kinder freuen sich. Und Harrys Cousin lächelt auch mit etwas Genugtuung. Wir verstehen uns, auch wenn wir keine gemeinsame Sprache sprechen.

Danach gibts noch eine kleine Runde durch das Dorf.

Vor fast jedem Haus hängt eine selbstgezimmerte Schaukel mit vielen Leuten drin, alle Hausbesitzer wollen uns ihre Zimmer zeigen. Einer ist ganz besonders stolz: Er hat in seinem Haus ein klimatisiertes Zimmer!
Und es gibt noch mehr Hochzeitsfotos.


Mittagessen, diesmal auch in normal: Exquisite Gemüsepfanne, toll gewürzt, mit zwei verschiedenen Sorten Brot und Mangopüree. Mjam.

Schließlich ist es Zeit zu gehen, wir verabschieden uns wortreich von ganz vielen Leuten, müssen aber vorher noch versprechen, auch unsere Hochzeitsfotos (sobald es denn welche gibt) per Post zu schicken. Wir werden sehen ;-)

Außerdem möchte Kishan unbedingt nach Europa zum Studieren. Man hätte so gerne, dass wir ihm dabei helfen, wenn er in fünf Jahren mit der Schule fertig ist. Wir haben nichts versprochen (wie auch...), das fühlt sich ein bisschen komisch an. Wir sind wie reiche Außerirdische von einem anderen Stern, für den man nicht so leicht ein Visum bekommt.

Harry und sein Bruder mit dem schönen Auto bringen uns zurück nach Surat. Dieses Gemüse hier fährt auf dem Lastwagen in die gleiche Richtung.

Kamel auf der vierspurigen Autobahn. Man kennt das ja. Der Fahrer fährt ran als er uns sieht und ist froh, als wir ihm die Hand geben.

Harry und Bruder wollen sowieso zum Markt, um ihre Waren zu verkaufen. Wir kommen kurz mit und fahren danach mit der Rikscha zum Bahnhof.


Eine von vielen Mangoverkäuferinnen.
Der Markt ist eher für Großabnehmer, kaufen können wir hier nichts. Das Gelände ist riesig und es gibt die verschiedensten Sachen. Sogar Stinkfrüchte entdecken wir.

Die Fahrt im Zug ist wieder ein Fest für alle Sinne. Flüsse durch Slumgebiete sind unbeschreiblich widerlich. Die Oberfläche komplett mit Müll bedeckt, die Brühe darunter braun bis schwarz und stinkend. Entlang von Bahnstrecken zeigen sich Städte immer von der schönsten Seite... Im Zug mache ich aber noch ein gutes Geschäft. Eine Frau verkauft Mangos, ich sehe dass alle anderen Inder ebenfalls kaufen. Ich bitte meine Sitznachbarin (indische Hausfrau, gesetztes Alter) für mich ebenfalls ein paar gute Früchte herauszusuchen. Wir erstehen 10 große Mangos für zusammen 70 Rupien.

Zurück im IIT-Hostel treffen wir die ersten Europäer seit etwa einem Monat: zwei Franzosen aus Bordeaux, die seit gestern auf unserem Korridor wohnen. Zusammen mit ihnen essen wir ein paar von den Mangos, die tatsächlich sehr gut schmecken.

Mittwoch, 2. Juni 2010

Der Regen beginnt.

Das muss man glaube ich wirklich selbst erlebt haben um es sich vorzustellen. Der Monsun hat begonnen. Und so theatralisch, wie es nur geht.

Direkt nach dem letzten Post: Stromausfall, mitten in der Nacht; Notstrombeleuchtung im Gang etc gibt es nicht - Zappenduster. Gleichzeitig fängt es draußen mit einem Schlag an zu schütten und zu gewittern - heute mittag war noch alles sonnig. Die Tropfen die gerade herunterprasseln sind die ersten seit 3 Monaten - die Inder rufen, pfeifen und jodeln von den Terrassen und aus den Fenstern. Eine Mischung aus Endzeitstimmung und Abistreich, die Inder begrüßen fröhlich den lang ersehnten Regen, während der Campus nur von Blitzen beleuchtet wird, die sich in den ganzen neuen Pfützen spiegeln.

Wir sind kurz raus in den Regen - es ist sogar angenehm kühl zur Zeit.
In meinem Zimmer allerdings nicht, der Ventilator ist ja aus. Wahrscheinlich haben schon die ersten Regentropfen irgendeine Leitung zum IIT erledigt... Und Fenster richtig aufmachen (ohne Mückengitter) geht auch nicht: Mein Insektenzerstäuber geht natürlich auch nicht. Also liege ich im Bett und versuche nicht mit der Matratze zu verschmilzen, während draußen der Donner angenehm rollt...
Zum ersten Mal höre ich viele exotische Vögel singen. Ob die erst bei Regen loslegen oder ob der Ventilator bisher nachts immer lauter war, ich weiß es nicht.

Das war um 01:00 Uhr. Bis 05:27 nur Halbschlaf, danach geht endlich der Ventilator wieder an. Erstaunlich, was so ein bisschen Luftzug an der gefühlten Temperatur ändert. Das Bettzeug muss nach der Nacht in die Wäsche.

Morgens beim Aufstehen ist das Wetter allerdings wieder sonnig wie immer, der Schauer war wohl nur ein kurzer Vorbote, es soll jetzt wohl Stück für Stück mehr regnen bis dann in 1-2 Wochen es richtig losgeht.
Da das Internet heute mittag immer noch nicht ging wollte ich mir endlich einen Datentarif für mein Handy holen. Der existiert zwar, ist aber nicht zu bekommen: Kein Händler hier in der Gegend weiß, was das ist. Man will mir alles mögliche, von Kabeln über Sim-Karten bis hin zu Modems verkaufen, mein Handy aufladen, aber ein Datenpaket? No Sir, we don't have this.

Morgen bis Übermorgen fahren wir den Bananenbauer in Surat besuchen. Das könnte interessant werden, das erste Mal richtig Landleben weit abseits von allen Touristenattraktionen und das erste Mal Fernzug fahren.

Lücken

Vorgestern beim Joggen einen neuen Weg ausprobiert, etwas abseits am See entlang, nicht beleuchtet. Steht mitten auf der Straße ein Schild, nur auf Hindi. Ich geh einfach mal weiter und falle fast in einen Abgrund. Da fehlt eine Brücke...
Die Straßen und Gehwege hier sind sehr lustig, man muss wirklich die Augen offen halten. Herausstehende Metallstäbe oder mannstiefe Löcher sind häufig genug.

Sonst war nicht viel Spektakuläres; Pizza Hut benutzt hier den genau gleichen Teig wie in Deutschland, der Belag ist aber sehr indisch angehaucht. Lecker.

Meine Projektarbeit wird auch immer spaßiger. Der Projektleiter dieses Open-Source-Teils an dem wir arbeiten (sitzt in Australien) hält meine Aufgabe sogar für ein dreimonatiges Projekt für unrealistisch viel. Dass ich nur noch drei Wochen Zeit habe habe ich ihm noch nicht gesagt...
Mal schaun was draus wird.