Sonntag, 29. August 2010

Ein Test

Gerade bin ich dabei, für einen Test am Dienstag zu lernen. So wie ich eben lerne. Mein Zimmer habe ich heute schon geputzt, eine CD-Sammlung zum Sortieren habe ich leider nicht, und meine 3 Bücher sind bereits alphabetisch sortiert. Also bleibt nichts anderes übrig, als zu lernen. Nachdem ich den Blog aktualisiert habe. Und nochmal essen war. Und den Wikipediaartikel über Prokrastination gelesen habe. Hachja.

Der Test sollte eigentlich bereits gestern (Samstag) stattfinden, aber am Freitag hat sich ein anderer Student in der Vorlesung gemeldet: "Ma'am, I'm not feeling well prepared, can we please postpone the quiz?". Das, mit dieser Begründung, klappt auch nur in Indien. Der Test wurde prompt nach hinten verschoben. Sowas ist sehr unangenehm, weil Arne und ich an sich mit unseren Besuchen und Kurzreisen sehr genau alles vollplanen und es äußerst ungut ist, wenn Termine sich hier so unvorhersehbar ändern.

Wenigstens konnte ich die Professorin überreden, in dem Test nur SI-Einheiten zu verwenden, nachdem im Übungsblatt Massen in kips/g und Dichten in Pfund/Kubikfuß angegeben waren. Mal schaun ob sie sich an ihr Versprechen hält.

Noch drei Kleinigkeiten am Rande, bevor ich (vielleicht) wieder weiterlerne:
  1. Heute Morgen habe ich gesehen, wie der kleine Einkaufsladen in unserem Wohnheim aufmacht. Der Ladenbesitzer läuft mit seinen angezündeten Räucherstäbchen durch den Laden, verneigt sich vor allen Bildern der verschiedenen Götter, die an den Wänden verteilt hängen, und weiht mit den Räucherstäbchen auch alle Schubladen und Regalfächer einzeln, bevor der Verkauf startet. Sehr ordentlich.
  2. Die Polizei in Mumbai gibt bekannt, dass verrückte Nummernschilder ab sofort verboten werden, und empfiehlt, ab jetzt Times New Roman (dunkel) auf einem hellen Hintergrund zu verwenden, eine Mindestschriftgröße wird auch angegeben. Wo gibt die Polizei das bekannt? Na klar, auf den offiziellen Mumbai Police Facebook- und Twitter-Seiten. Vielleicht sollte man bei Facebook Freund der Mumbai Police werden, um von solchen Neuigkeiten früher mitzubekommen. Im Zeitungsartikel dazu steht auch die Strafe, wenn das Nummernschild von diesen Regeln abweicht: 100 Rupien (1,67€) werden fällig, ganz schön heftig.
  3. Im Lake Powai (dem See, der hier halb auf dem Campus liegt) wurde vorgestern ein Angler von einem Krokodil getötet. Ich wollte in dem Loch noch nie baden, aber vielleicht will ich auch nicht mehr bei Nacht in der Nähe joggen gehen? Ganz schön doof, wo doch der Hügel abends wegen der Panther gesperrt wird. Viel bleibt nicht mehr übrig vom Campus...

Mittwoch, 25. August 2010

Gute Laune

Indien ist super. Zum Beweis 2 Fotos, die Arne in seinen Blog gestellt hat, als Nachtrag zu unserer Rajasthan-Tour:


Dienstag, 24. August 2010

Internet

Die Mensa ist wieder offen, wir gehen immer noch nicht hin. Man hört, dass inzwischen die Zahl der Studenten, die da noch essen, sehr geschrumpft sei. Abstimmung mit den Füßen. Ich hoffe, dass sie so konsequent sind und den Caterer bald rausschmeißen.

Aber es gibt auch eine sehr gute Nachricht: Das Internet in meinem Zimmer ist wieder da! Ich hätte fast nicht mehr damit gerechnet. Jetzt kann ich wieder in weniger als 5 Minuten ein Foto hochladen, zur Feier des Tages gibts eine Bilderstrecke von der Zugfahrt heute:

Zum Fotografieren ist es ganz praktisch, dass die Fenster keine Scheiben haben. Hat man nichts vor der Linse, was das Bild trübt...

Die Local Trains in Mumbai bieten fantastische Ausblicke entlang der Strecke.

Wer sich da nochmal beschwert, dass irgendein Fluss in Deutschland dreckig sei... Zur Erinnerung: Es ist wie immer 30°C warm und die Bewohner in den Verschlägen da hinten haben keine Abwasserentsorgung und keine Klos. Kann man sich vorstellen wie das riecht? So ohne Fenster im Zug?

Hier bleibt der Zug sogar kurz stehen...

Hier nicht.

Und kaum verlässt der Zug die Vororte, siehts wieder schön aus und riecht auch nicht mehr so komisch.

Arne und ich waren einfach nochmal in Matheran, nachdem die letzte Tour ja so spektakulär gescheitert ist. Der Dienstag war in Indien ein Feiertag, also keine Vorlesungen. Es war richtig richtig toll, mal wieder Bewegung und kühle saubere Luft. Bilder:

Der Berg ist in den Wolken, manchmal ist die Sicht für kurze Zeit frei. Temperatur um die 20°C, manchmal trocken, manchmal Regen. Ich liebe es!


Zum Vergleich nochmal die gleiche Szene von unserer Tour im Mai. Gleicher Ort, andere Zeit. Ziemlicher Unterschied. Sogar die rot-weißen Begrenzungssteine sind nicht mehr wieder zu erkennen.

Das gleiche nochmal für dieses Stück Bahnstrecke. Im August zur Monsunzeit...

Und im Mai. Leider von etwas weiter hinten.

Die Hotels brauchen in der kalten Monsunzeit viele Gasflaschen zum Heizen und Duschwasser aufwärmen. Und wie lagert man Gasflaschen? Richtig, genau so.

Die Eisenbahn fährt zur Monsunzeit nicht, Arne und ich sind so dreist, eine Serpentine der Bahnstrecke zu laufen. Ein paar Kilometer ohne andere Leute, die uns anhupen, zuwinken, mit uns Fotos machen wollen, mit kühlem Nieselregen... Ich fühl mich wie der Mann in der Jever-Werbung. Wir müssen hier öfter hin, solange noch Regenzeit ist.

Viele kleine Wasserfälle und Bäche kommen von der Seite.

Die Bahnstrecke ist in den paar Wochen der Schließung schon gut zugewuchert. Hier wächst alles so fürchterlich schnell... Das Loch in der Wand ist der Eingang zum One-Kiss-Tunnel. Mit der Bahn ist er gerade lang genug, um für einen Moment von den Eltern im gleichen Abteil nicht gesehen zu werden. Süß.

Schwuppdiwupp zurück. Abends um 8 sind wir wieder in Mumbai.

Ankit wollte eigentlich mit, hat dann aber doch abgesagt: Er hat noch kurzfristig eine Präsentation vorzubereiten. Die Inder sind irgendwie alle immer am Arbeiten, auch abends und sonntags, aber nie richtig. Nachts um 2 an meiner Tür klopfen zum Hausaufgaben machen, da komm ich immer noch nicht drüber weg...

Nochmal Koreaner

Die beiden Koreaner haben ihre Indienrundreise abgeschlossen und Arne und ich haben sie vom Bahnhof abgeholt. Der Zug hat 1.5 Stunden Verspätung, an indischen Bahnhöfen warten macht sehr viel Spaß. Als der Zug endlich einfährt sind die beiden sehr froh, uns zu sehen: Sie haben uns wohl von unterwegs ein paar SMS geschrieben, die aber allesamt nicht angekommen sind und wir haben deshalb natürlich auch nicht geantwortet.
Die beiden sind noch abenteuerlustig und wir fahren mit vollem Gepäck in die Innenstadt und machen noch einen Abstecher zum Gateway of India, bevor wir mit dem Regionalzug nach Hause fahren. Sie schlafen wieder bei mir im Zimmer.
Am Sonntag wollen wir mit den beiden Matheran unsicher machen. Arne und ich waren da ja schonmal im Mai, in der Regenzeit soll es völlig anders aussehen, mit vielen Wasserfällen und so. Klingt lecker, wir stürzen uns also am Morgen in die Züge, die (obwohl es Sonntag ist) wie immer rappelvoll sind, die übliche Boxerei beim Ein- und Aussteigen.

Sieht schon ganz anders aus als beim letzen Mal.

Wasserfälle gibt es in der Tat. Und einen netten Mann, der gegrillte Maiskolben verkauft.

Fand ich schön.

Am Panorama Point gibt es gerade kein Panorama, aber schön ist es trotzdem. Kühler Wind zieht am Berg hoch, sehr angenehm.

Und als die Wolken dann aufreißen sehen wir sogar etwas.

Ryun geht es bei der Fahrt und beim Aufstieg zunehmend schlecht, wir nehmen auf halber Strecke ein Taxi nach oben. Da baut der arme Kerl dann völlig ab und entwickelt hohes Fieber, wir fahren also nach einer sehr kurzen Runde zum Panorama Point wieder nach unten und nach Hause.

Wir werden immer mehr zu Indern und laufen inzwischen auch über die Gleise, wenn es kürzer ist, oder nehmen Rikschas zu vier Leuten...

Ein Inder ist im Zug so nett, einen Sitzplatz für den Kranken zu räumen, Ryun ist zwischenzeitlich nicht ansprechbar oder weiß nicht, wo er ist. In Mumbai direkt in die Notaufnahme vom Krankenhaus, der Arzt hat auch gleich Denguefieber im Verdacht. Und die Koreaner sind ohne Auslandskrankenversicherung hier. Gut gemacht.
Also schläft Ryun über Nacht nicht im Krankenhaus, sondern in meinem Bett, Yeongseok neben ihm auf dem Boden, und ich bei Arne auf dem Boden. Nachts um 2 klopft noch ein Inder bei mir (also da, wo die Koreaner schlafen) an der Tür und will mit mir Hausaufgaben machen. Ryun schläft zum Glück wie ein Stein und weiß am nächsten Morgen nichts davon. Und ich vertröste den Inder, nachdem er auch noch an allen anderen Türen klopft und schließlich mich in Arnes Zimmer findet, auf Morgen früh.
Die Erleichterung kommt dann am nächsten Morgen: Ryun ist plötzlich wieder gesund, Fieber ist weg, und er hat wieder Hunger. War wohl doch kein Dengue. Mittagessen im Gulmohur, und während ich noch eine Vorlesung habe, geht Arne mit den beiden an den Strand. Wir treffen uns in einem sehr guten Restaurant in Westmumbai, ich brauche wegen dem Verkehr 2 Stunden mit der Rikscha. Die Luft in einem indischen Verkehrsstau ist widerlich stinkig, ich höre lustiges indisches Radio mit lustiger indischer Musik, um den Gestank zu überdecken.

Das Restaurant ist die Reise aber wert. Die Inder können sogar Grillen! der Tischgrill füllt sich ständig mit frischen Gemüse- oder Hühnchenhappen, die in einer feurigen grünen Soße einmariniert sind. Dazu gibt es ein süßes Naan (Brot), was ein bisschen wie Weihnachtsgebäck schmeckt. Umwerfend lecker.

Nach dem Essen die Beiden zum Flughafen gebracht. Das übliche generve mit dem Taxifahrer, der uns verarschen will und in die falsche Richtung losfährt. GPS rettet den Abflug. Die Koreaner haben Heimweh. Und Arne und ich düsen zurück zum IIT.

Freitag, 20. August 2010

Vergesslich

Vorgestern hab ich dann auch noch meinen neuen Rucksack irgendwo verloren. Grad erst vor einer Woche gekauft, und er war wirklich ziemlich hübsch und hatte viele praktische Taschen und Fächer. Diesmal war sogar etwas drin: All meine Aufzeichnungen aus allen Fächern sind futsch. Das ist doof, denn es gibt keine Skripte und die Mitschrift ist das einzige Lernmaterial für die Klausuren...

Also hab ich gestern angefangen, Indern hinterherzurennen und mir ihre Hefte auszuleihen. Der Kopiermann bei uns Im Hostel hat überraschend flinke Finger und kopiert ein ganzes Heft Seite für Seite in Null Komma Nix - Kostet 19 Rupien (knapp 20 Cent) pro Heft.

Dann gestern die Katastrophennachricht in der Times of India:
Da haben zwei Kriminelle tatsächlich Kühe an einen Schlachter verkaufen wollen! Aber zum Glück konnten die Kühe von Mitgliedern einer wohltätigen Organisation gerettet werden, bevor es zum Äußersten kam. Der Artikel ist ein bisschen schwer zu lesen, aber das Gröbste in Kürze: Einige Tempel mieten sich für einen Tag Kühe, um mehr Betende anzulocken. Diese kaufen dann Grasbüschel vom Tempelbesitzer, um sie der Kuh darbieten zu können - ein gutes Geschäft für den Tempelmann.
Wenn die Kuh aber zu alt wird, wird sie nicht mehr so gerne gemietet und man verkauft sie, wenn man böse ist, an einen muslimischen Metzger, der im Gegensatz zu einem Hindi auch vor einer Kuh nicht halt macht. Aber nicht mit diesen engagierten Bürgern, die die bösen Fieslinge aufhalten und die Polizei rufen - denn Kühe schlachten ist ja verboten. Schön, wenn Zivilcourage so gut funktioniert.
Obwohl ich ja schon gerne mal wieder ein Stück Rind zwischen den Zähnen hätte... Hmm Lecker.

Heute ist es mir tatsächlich nicht gelungen, einen neuen Schirm zu kaufen. Wer im August schonmal probiert hat, eine kurze Hose zu kaufen, kennt das Problem: Alle normalen Leute haben sich ja schon längst eingedeckt, Schirme sind also in den Supermärkten nicht mehr im Sortiment. Draußen pladderts wie aus Kübeln...

Donnerstag, 19. August 2010

Pune

Jan und Regenschirme - das passt einfach nicht. Ich habe grade meinen dritten Regenschirm verloren. Beim Aussteigen im Taxi vergessen. Ich bekomm das einfach nicht hin.

Was war sonst noch?

Die Aufschrift auf der Tafel hat sich geändert. Die Mensa wurde dichtgemacht und wird gerade grundgereinigt. Gute Nachricht. Es gibt stattdessen Lunchpakete, für die man sich aber registrieren muss (ob man dafür wohl ein Passfoto braucht?), wir verzichten auf das Vergnügen. Das Internet geht seit 2 Wochen nicht mehr, in 4 Tagen möchte sich jemand darum kümmern. Mal schaun.

Übers Wochenende fahren Arne und ich nach Pune, das sind nur 4 Stunden mit dem Zug von Mumbai aus. Umsteigen in Thane vom Regionalzug in den Fernzug, es ist der Tag vor dem Tag der Unabhängigkeit. Die Stimmung ist fröhlicher als sonst, die vielen Inder in den vorbeidüsenden Zügn winken uns zu und rufen.

Wer sieht den Mann zwischen den Wagen? Mir wär das mit der Oberleitung ein bisschen zu haarig - wir sehen an dem Tag sehr viele Leute auf dem Dach reiten, einige winken uns sogar noch zu. Zum Glück passiert nichts, ich würde mich doch sehr doof fühlen wenn jemand vom Bahnstrom gebraten würde weil er mir ausgelassen zuwinken wollte...

Wir haben reservierte Sitzplätze im klimatisierten Wagen im Expresszug nach Pune. Die Aussicht ist super, der Zug quält sich durch eine bergige Landschaft mit Wasserfällen viele Kilometer und einige hundert Höhenmeter nach oben.
In Pune haben wir ein tolles Hotel über das Internet gebucht und im Voraus bezahlt. Das machen wir gerne so, weil wir dann nicht beim Checkout von Fantasiegebühren überrascht werden können. Bisher hat das immer super geklappt. Aber diesmal lässt man uns in dem tollen Hotel nicht einchecken:
Den Reisepass nehmen wir natürlich nur mit, wenn es unbedingt nötig ist, also nicht auf Zugreisen. In der Buchungsbestätigung vom Hotel steht, man kann als ID Proof Ausweise, Führerscheine, Voter's ID Cards und was auch immer mitbringen - wir haben also unsere Personalausweise, und zur Sicherheit auch noch eine Kopie des Reisepasses dabei. Alles gut, was aber fehlt ist eine Kopie des Visums. Das stand nirgendwo, wird aber plötzlich verlangt. Eine Stunde diskutieren und mit dem Internetbuchungsportal telefonieren hilft nichts: man setzt uns auf die Straße und behält das Geld. Die Visakopien seien von der Regierung gefordert, da könne man nichts machen. Und zum Stornieren der Buchung sei es zu spät.
Im nächstbesten Hotel können wir einchecken und niemand fragt nach einer Visumskopie. Von wegen von der Regierung gefordert. Mal schaun ob es was bringt, sich beim Hotel per Mail zu beschweren. Das Geld ist aber wohl weg.
Ansonsten war Pune aber ziemlich schön. Nicht sehr touristisch und recht freundlich. Kinder winken und rufen "Hello Foreigner!" mit einem Strahlen im Gesicht. Ausländer ist hier ein positiver Begriff.

Der nette Mann brät Dosa - sieht ein bisschen aus wie Crepes.

Wird wie so vieles in Indien auf einem Bananenblatt serviert - zusammen mit einer Kokossauce. Sehr lecker das Ganze. An dem Stand unterhalten wir uns nett mit einem Herrn, der für irgendeine indische Firma arbeitet und mit an der IT von O2 Germany gearbeitet hat. Irgendwie arbeitet fast jeder Inder den wir unterwegs oder im Zug treffen für irgendein IT-Unternehmen, welches nach Europa liefert.

Son paar Sehenswürdigkeiten gibts in Pune auch noch.

Wir setzen uns in den Park, der Eintritt ist frei und es ist ruhig. Ein paar junge indische Paare sitzen in dem Park auf den Bänken und turteln vor sich hin...
Wir haben leider keine Ruhe, unsere Kekse zu Essen, denn ein Schwarm Inder ist immer um uns, alle wollen mit uns reden oder Fotos von uns machen. Irgendwie passiert sowas in Parks immer wieder. Wir setzen uns also in Bewegung und ziehen unsere Kreise quer durch den Park, einen Tross von 20 Indern ständig im Schlepptau, der sich wie ein Schwarm Fliegen um uns herum zu einer Wolke verdichtet, sobald wir zu langsam werden. Nach ein paar Fotos verlassen wir den Garten fluchtartig.

Beim Streifzug durch die Stadt lädt uns ein Professor für Wirtschaft an der örtlichen Universität zu einem Tee ein. Nett. Und wir machen unterwegs Fotos mit vielen stolzen Ladenbesitzern. Von der Maschinenbauwerkstatt mit großen Zahnrädern bis über den Elektriker, der von Hand einen Transformator wickelt bis hin zum Gitarrenbauer, der von Hand ein paar Holzteile zurechtschleift ist alles dabei. Indien lebt und werkelt so vor sich hin.

Straßenszene. Die Baustelle im Hintergrund sieht irgendwie lustig aus.

Son Tempeldingsda mitten in der Straße. Die Häuser mit den Holzbalkonen sind irgendwie lokaltypisch architektonisch besonders und so weiter.

Sonnenuntergang über dem Fluss. Fast schön.

Am Sonntag nehmen wir und großzügig Zeit am Bahnhof, um nicht den Zug zu verpassen. Zum Glück gibt es 500m entfernt ein Restaurant, dem wir vertrauen.

Und wer sagt da noch, McDonalds wäre überall auf der Welt gleich?

Die Rückfahrt reibungslos. Der Superfast Express Zug hält unterwegs auf Zuwinken an, um Arbeiter und Bauern mitzunehmen. Sonst fast alles wie bei uns.

Die Woche seit dem Wochenende relativ normal. In meinem Environmental Impact Assessment Kurs habe ich unter anderem mitbekommen, dass der Müll vom IIT noch auf dem Campus von Hand sortiert und der Biomüll auf einem großen Haufen hinter Hostel 4 aufgeschüttet wird. Deshalb soll es da je nach Windverhältnissen übel stinken. Prost Mahlzeit.
Davon ab bilden wir Gruppen, um dann irgendein Projekt in Mumbai auf seine Umweltverträglichkeit zu untersuchen. Womöglich erfordert das sogar Fahrten zum Bauort - ich versuche, ein Projekt innerhalb des Campus zu bekommen. Jan ist faul.

Die anderen Kurse sind kaum der Rede wert. Halb nervig, halb interessant, zu viele Hausaufgaben.

Und heute Abend haben wir uns mit ganz vielen anderen Deutschen von anderen Universitäten getroffen. Irgendwer hat ausgerechnet die Bar des Intercontinental Hotels als Treffpunkt ausgewählt - Cocktails allesamt > 10€, Bier > 5€. Ich nehme nur ein Getränk. Und woran merkt man endgültig, dass der Laden zu schick für mich ist?

Daran, dass ein Bediensteter auf den Restaurantklos nach jedem Besucher neue Stoffhandtücher zusammenrollt und mit einer frischen Blüte dekoriert.

Freitag, 13. August 2010

Eine Woche mehr

Wieder eine Woche rum. Was ist passiert?

Die Aufschrift auf dem schwarzen Brett hat sich geändert. Der Wunsch nach sauberem Essen (irgendein Inder hat das drangeschrieben, nicht wir) wurde von irgendwem weggewischt. Kommentare zum Internetausfall häufen sich. Seit Montag geht mal wieder nix mehr, außer über mein Handy...

Viele Vorlesungen. Der Professor in CFD hat einen fiesen fiesen indischen Akzent, redet fies leise und der Raum hat ein fieses fieses Echo. An der Tafel steht in einer fiesen Sauklaue ein Haufen von fiesen partiellen Differentialgleichungen. Und ich sitze da und mag die Anwesenheitspflicht immer noch nicht.
In Indien verwendet man ganz andere Abkürzungen als bei uns, und das hilft nicht beim Verständnis von Stoff, der ja auch noch auf englisch dargereicht wird. Es gibt Fragen vom Professor ans Publikum. Auf Anhieb fällt mir aber auch nicht ein, was "senkrechter Verdichtungsstoß" auf englisch heißt...
Die Stimmung in den Vorlesungen ist relativ förmlich. Wer etwas sagt, steht zum Reden auf. Auch wenn der Professor den Raum betritt wird aufgestanden. Und mit dem Nachbarn reden geht gar nicht, macht auch wirklich keiner.

Was ich daraus lernen würde, wenn ich nochmal ein Auslandssemester planen würde? Bloß nicht zu motiviert auf die Kursliste schauen und das dünnste Brett bohren, welches man anerkannt bekommt. Die Rahmenbedingungen sorgen schon für genug Arbeit drumherum, und man will ja auch noch Zeit haben, sich das Land anzuschauen. Gut, dass ich in diesem Semester nur noch 20 Credits brauche...

A propos Rahmenbedingungen. Wir haben nach nur 4 Wochen endlich unsere Wäsche wieder. Nachdem unser Wäschemann 2 Wochen lang nichts damit getan hat (ich berichtete...) haben wir die Sachen ja illegal im Hostel 7 abgegeben. Da hat der Wäschemann einfach dicht gemacht und ist nicht mehr aufgetaucht, der Raum blieb tagelang abgeschlossen. Mithilfe des Sicherheitspersonals konnten wir unsere Wäsche aus dem Wäscheraum befreien und dann erst erfolglos in Hostel 6 und schließlich erfolgreich in Hostel 5 abgeben. Der Wäschemann dort hat für etwas Extrageld unsere Sachen innerhalb von 2 Tagen gewaschen und getrocknet (so halbwegs). Das war knapp, die Unterwäsche war grade leer.

Außerdem habe ich noch einen Verlust zu verzeichnen. Nachdem mein kleiner Rucksack so sehr nach Schimmel gestunken hat, dass ich ihn nur noch vor meiner Tür abgestellt habe, wurde er zuverlässig in der ersten Nacht geklaut. Ob von einem Menschen oder von einem Straßenhund, weiß ich nicht. Der Eastpak, mit dem Ihr mich seit der 7ten Klasse kennt, er ist weg und kommt nicht wieder. *Schnief*

Noch ein paar Fotos, der Monsun ist schon langsam am Ende, die Sonne lässt sich immer öfter blicken.

Unser Wohnheim. Schön, nicht?

Lake Powai mit Hotel dahinter. Alles grünt so grün...

Und auf dem Hügel sind wir in letzter Zeit auch öfter. Schon fast unwirklich grün...
Das sah im Mai noch ganz anders aus.

Dienstag, 10. August 2010

Alltag

Ein ganz normaler Montag. Morgens um 9:30 die erste Vorlesung. Ich mag Anwesenheitspflicht nicht. Environmental Impact Assessment. Es gab wieder mal eine Hausaufgabe, die ich auf den Morgen vor der Vorlesung aufgeschoben habe - wie in der guten alten Schulzeit. Ein paar Begriffe aus Wikipedia an geeigneter Stelle hereingeworfen reichen aus, um nicht schlecht aufzufallen.

Der Tag ist voll mit Kleinigkeiten - meine Hose hatte ein Loch, ich hole sie von der Reparatur ab. 10 Rupien für den Schneider, geht eigentlich. Zum Mittag ein Sandwich, noch mehr Hausaufgaben machen für die Vorlesung um 17:05 Uhr. CFD, Mein Hassfach hier in Indien: Der Professor nuschelt leise mit einem fiesen indischen Akzent, der Raum produziert ein schönes Echo, Mikrofone benutzt hier sowieso keiner, und es ist eine klassische Numerikvorlesung - bei der alle i's, j's sowie alle u's, v's und a's an der Tafel gleich aussehen. Schwer ist der Stoff auch noch, aber langsam fange ich an, die PDE Vorlesung von letztem Semester zu verstehen. Obs hilft? Hausaufgabe hat irgendwas mit der Klassifizierung von ein paar PDEs aus der Strömungsmechanik zu tun.

Die letzte Vorlesung bis um 8, aber der Prof überzieht bis 20:15 Uhr. Air Pollution Control, hoch interessant. Der Prof ist ein guter Entertainer, der aber sehr leicht vom Thema abschweift. Die Vorlesung besteht aus viel seichtem Wissen. Es gibt 10 neue Hausaufgaben bis zur nächsten Veranstaltung am Donnerstag:
  1. Auf YouTube irgendein Video ansehen, in dem man Glasbläserei sieht
  2. Den Messbereich eines Quecksilber-Thermometers nachschlagen
  3. Experimentell herausfinden, was passiert, wenn ein Wassertropfen in flüssiges Wachs fällt
  4. Zünd- und Brenntemperatur einer Kerze nachlesen
  5. Herausfinden, ob man Wasser in einem Hütchen aus Papier über einer Kerze zum Kochen bringen kann, ohne dass das Papier durchweicht oder anbrennt
  6. Symbole für Prozessdiagramme nachschlagen
  7. Beispiele für Anwendungen von verschiedenen Gewindetypen herausfinden
  8. Die Breite der eigenen, voll ausgestreckten Hand nachmessen
  9. Berechnen, wie hoch die Strömungsgeschwindigkeit in einem 2cm dicken Rohr ist, durch welches wir normal ausatmen.
Mir fehlt ein bisschen der rote Faden, aber trotzdem wird auch diese Aufgabe gewissenhaft von mir bearbeitet und abgegeben werden, immerhin geht alles in die Note ein. Wenigstens kann ich am Stammtisch in Zukunft mit lauter unnützen Wissensbröckchen auftrumpfen.

Schwarzes Brett am Wohnheim. Sehr dynamisch, eigentlich steht jeden Tag was anderes drauf. Ein paar Einträge find ich gut...

Treppenhaus im Wohnheim am Abend. Kuh und Straßenhund fressen friedlich gemeinsam den Müllhaufen auf, der sich am Tag so auftürmt...

Morgen früh gehts wieder weiter. Ich bin nur noch mit meinem Handy online, denn das Internet im Wohnheim wird inzwischen zuverlässig um Mitternacht abgestellt. Schlafen.

Samstag, 7. August 2010

Der Trockner

Kleiderspenden nach Afrika sind was Tolles. Denn ohne die wäre es nicht möglich, dass Äthiopier auf dem IIT-Campus mit deutschen Werbe-T-Shirts von einer Viehhandels-GmbH aus Hasenfeld herumlaufen. Die Shirts gab es auf dem Markt in Addis Abeba günstig zu kaufen. Ob der Chef der Viehhandelsgesellschaft davon weiß?

Heute haben wir ganz viel Wäsche vom Wäschemann abgeholt. Ungewaschen. Nach zwei Wochen war noch nichts passiert, denn der Trockner ist kaputt. Also sitzt der gute Mann jeden Tag seine Arbeitszeit in seinem Laden ab, nimmt alle Aufträge an, stapelt die Wäschekörbe aufeinander... und macht nichts. Vielleicht kommt der neue Trockner nächste Woche. Oder irgendwann anders. Oder auch nicht.

Wir bringen unsere Wäsche also zu einem anderen Wohnheim. Man sagt uns, das dürfe man nicht, es sei illegal. Wir sind fiese Gangster und tun es trotzdem. Der Waschmann dort nimmt die Körbe an, mal schauen was passiert.

Besuch aus Korea

Wie wir vor ungefähr einem Monat erfahren haben, bekommen wir netten Besuch aus Korea. Yeongseok, mein guter koreanischer Freund, möchte mit seinem Freund Ryun eine Indienreise machen. Eigentlich hatten wir versprochen, die beiden vom Flughafen abzuholen. Nachdem wir die Reise zu Sanmati fest ausgemacht haben, hat mein Terminkalender gemeckert. Das passt ja gar nicht: Wir kommen zurück, 6 Stunden, nachdem die beiden gelandet sind.

Zum Glück ist Ankit hilfsbereit und lässt sich von uns einspannen, um unseren Besuch gegen Mitternacht vom Flughafen abzuholen und in unsere Zimmer zu verfrachten. Wir statten ihn mit unseren Zimmerschlüsseln aus und mit einem lustigen Schild zum Hochhalten am Airport, auf dem auf koreanisch der Name Yeongseok steht. Ankit ist nicht nur hilfsbereit, sondern auch zuverlässig: Als wir zurückkommen, sind die beiden tief schlafend in meinem Zimmer. Ankit ist morgens um 5 noch am Arbeiten (Nachtmensch und Deadlines bei der Arbeit, man kennt das) und wir verquatschen uns mit ihm noch, bevor wir unsere Gäste wecken gehen. So schnell wird er wohl keine Restaurantrechnung mehr bezahlen, wenn wir dabei sind: Wenigstens das sind wir für diese nächtliche Rettungsaktion schuldig.
Ganz Reibungslos lief es nicht ab: Am Haupttor musste Ankit seinen Studentenausweis als Pfand abgeben, da der Aufenthalt von Gästen im Wohnheimszimmer über Nacht Geld kostet. Wir müssen also am folgenden Tag das weiße Formular, welches Ankit am Tor bekommen hat, beim Hausmeister vorlegen, 150 Rupien pro Nacht bezahlen, bekommen dafür das blaue Formular, welches wir zum Security Officer im Main Building bringen müssen. Der Security Officer ist aber den Tag über nicht da, weil er Panther jagt(!?), wir müssen am folgenden Tag nochmals los, bis wir endlich Ankits Ausweis wiederbekommen.

Mit Yeongseok (links) und Ryun (rechts) nutzen Arne und ich die übrige Zeit, um den Campus unsicher zu machen und ganz viel lecker essen zu gehen. Das lila Dingsda im Hintergrund ist übrigens das Moskitonetz, unter dem ich nachts inzwischen schlafe; der Mückenverdampfer alleine reicht nicht mehr.
Vorlesungen habe ich zwischendurch auch. Ich hatte mich bei jedem Kurs für eine Vorlesung abgemeldet (die Zeit in Rajasthan war so gestaltet, dass immer nur genau eine Vorlesung pro Fach flachfällt), die eine Professorin hat sich bei mir noch entschuldigt, dass sie mit dem Stoff nicht auf mich warten und die Vorlesung für mich auch nicht so kurzfristig verschieben kann, sie würde mir dann einfach helfen, mit dem Stoff aufzuholen. Dafür habe ich ihre Handynummer bekommen, ich kann sie bei Problemen oder wenn sich meine Reisepläne ändern gerne anrufen.

Die beiden Koreaner fahren noch am nächsten Tag mit dem Zug los nach Jaipur und haben dann am Ende der Reise noch ein paar Tage Zeit, mit uns Mumbai zu erkunden. Wir bringen sie natürlich zum Bahnhof.

Und kommen an einer tollen Bushaltestelle vorbei. Ich mag den Namen.

Freitag, 6. August 2010

Zu Gast bei Sanmati

Am Freitag hatten wir einen seltsamen Tagesablauf. Erst Vorlesung, dann Kino, dann wieder Vorlesung. Das ist hier relativ normal, man geht oft vormittags ins Kino. Es lief Inception (ziemlich gut eigentlich), und zwar ohne Unterbrechung in der Mitte (ganz normal eigentlich) und das Personal weist einen darauf mehrfach hin; es steht auch vor Beginn des Films auf der Leinwand: "Dieser Film läuft ohne Unterbrechung, kaufen sie vor Beginn genug Speisen und Getränke", als wären 2 Stunden eine unglaublich lange Zeit. Das Personal verfolgt einen bis auf den Platz, um einen mehrmals darauf hinzuweisen: Sir, es gibt keine Pause in diesem Film. Ziemlich nervig eigentlich.
Vor Beginn des Films läuft natürlich die Nationalhymne und alle stehen auf. Das ganze läuft auch als Musikvideo auf der Leinwand, die Sänger sind die Finalisten von Indian Idol (quasi DSDS).

Wie sich herausstellt, ist die seltsame Holzkonstruktion vor dem Hostel tatsächlich ein Dach. Wir erfahren, dass es vorher immer in der Mensaküche in die Töpfe getropft hat, die Küche befindet sich direkt unter dem Vorplatz, auf dem auch Kühe und Straßenhunde unterwegs sind und fröhlich ihre Geschäfte erledigen. Ich bin mir inzwischen sicher, dass ich nicht mehr in die Mensa will.
Das Dach soll das Problem auf jeden Fall lösen, bis nach der Monsunzeit dann jemand vielleicht Reparaturen in Angriff nimmt. Naja.

Abends nach der letzten Vorlesung fahren wir mit Sanmati zum Bahnhof; ein Regionalzug ist mit im Spiel. Es ist nicht Rush-Hour, man bekommt also einen Stehplatz. Trotzdem ist es mit Gepäck gar nicht so einfach, sich in den Zug zu drängeln. Sanmati hat viel Gepäck dabei, es ist immerhin sein Auszug aus dem IIT Hostel. Arne und ich tragen also auch Gepäckstücke von ihm mit. Es beginnt unsere bisher interessanteste Reise in Indien, ich kann Sanmati gar nicht dankbar genug dafür sein.

Die Tickets für den Fernzug hat Sanmati irgendwie auf indische Art und Weise ergaunert. Eigentlich war der Zug ausgebucht, aber irgendwie bekommt er noch drei Fahrkarten...
Wir haben also 3 schöne Liegen in der dritten Klasse (klimatisiert). Der Zug fährt 17 Stunden, über Nacht. Eigentlich nichtmal unbequem: Die klimatisierten Klassen haben natürlich Fensterscheiben, und netterweise dürfen auch die vielen fliegenden Händler und Bettler nicht herein, man kann also in Ruhe fahren und die Fenster halten überraschend viel Lärm draußen. Ich schlafe wie ein Stein.

Abteile gibt es nicht, aber viele viele Vorhänge. Die Liegen sind alle zu kurz für uns, aber wenn man eine der Oberen nimmt, kann man die Füße heraushängen lassen, ohne dass jemand beim Vorbeilaufen dagegenstößt.

Samstagvormittag fahren wir noch. Sanmati und ich stehen an der Tür: Die Aussicht ist gut und die klimatisierte Luft drinnen ist etwas trocken. Gut festhalten sollte man sich aber wohl...

In Indien fährt man Langstecken eigentlich immer ohne Umsteigen. Es gibt von jeder großen Stadt zu jeder anderen großen Stadt Direktzüge, die auf verschiedenen Strecken alle anderen Städte verbinden. Es gibt deshalb jeden Zug täglich nur einmal. Einerseits heißt das, dass man von überall nach überall mindestens einmal am Tag auch direkt und ohne Umsteigen fahren kann. Andererseits heißt das aber auch, dass es an viel benutzten Teilstrecken nicht mehr Züge gibt als an wenig gebrauchten. Unser Zug war ausgebucht, aber nur auf einer kurzen Teilstrecke voll. Meistens ist der ganze Wagen fast leer.

Gegen Mittag sind wir da. Etwas unscharf im Bild wartet eine Kuh auf ihre Fahrkarte.

Den restlichen Samstag verbringen wir mit Besichtigungen. Zusammen mit Sanmatis Vater und einem Teil seiner Familie fahren wir mit Autos ein paar von den Produktionsstätten ab, die ihnen gehören.

In einer Fabrikhalle wird von Maschinen Koriander per Sieb automatisch gereinigt und nach Qualität sortiert.

Hier im Bild ist ein Lager, was nicht direkt Sanmatis Vater, sondern nur einem Onkel gehört. Von der Sortiermaschine habe ich leider kein Bild gemacht, es war dunkel.

Dafür habe ich ein Foto von einem Steinbruch. So einen hat Sanmatis Papa auch.

Die Steine werden im eigenen Werk von Arbeitern zu Bodenfliesen verarbeitet. Der Mann an der großen Kreissäge in dem Häuschen ist sehr "erfahren": Er kann auch ohne Ohrschützer die Steine zerteilen, ohne dass ihm die Lautstärke weh tut. Interessant.

Geld scheint vorhanden zu sein. An dieser Stelle sollte ich anmerken, dass Arne und ich für die Reise nach Rajasthan nicht einen Cent bezahlt haben: Von den Zugtickets bis hin zu Restaurantbesuchen und Hotelübernachtungen hat Sanmati (oder sein Vater) alles bezahlt, das ist Teil der Gastfreundschaft und darüber ließ sich auch nicht verhandeln. Wenn Sanmati mit seiner zukünftigen Frau jemals nach Deutschland kommt, stehen wir da etwas in der Pflicht. Machen wir natürlich gerne.

Abends essen wir bei der Familie. Die Wohnung ist sehr bodenständig.

Das Haus ist im untersten Stockwerk ein Laden (der natürlich auch der Familie gehört). Arne versucht sich hier im Bild als Verkäufer.

Links der Papa. Innen ein typischer indischer Verkaufsladen. Es gibt alles. Der braune Batzen auf der Theke ist Rohrzucker, wir bekommen ein Stück zum Probieren. Den Ameisen schmeckt es auch gut.

Darüber wohnt die Familie. Der Platz um den Treppenaufgang ist gleichzeitig Küche (gespült wird auf dem Boden) und Durchgangsbereich zwischen Bad, Eingangstreppe und Wohnzimmer. Ich Esel habe kein Foto gemacht.

Im Wohnzimmer steht ein Doppelbett, in dem die Familie schläft, und auf dem Boden liegt ein Teppich, auf dem gemeinsam gegessen wird. Allerdings nicht so gemeinsam wie bei uns. Da beim Essen immer wieder frische Brote gereicht werden, essen die Hausfrauen nicht gleichzeitig mit den Männern.
Diese deutsche Eigenart, zusammen am Tisch zu sitzen, zu warten bis alle sitzen, sich unbedingt "guten Appetit" zu wünschen, und gemeinsam aufzustehen, scheint es hier nicht zu geben; auch in Restaurants kommen die Gerichte nicht immer gleichzeitig. Auch diese vielen Dinge wie, sich "Gesundheit" nach dem Niesen zuzurufen, sich unter Freunden immer mit einem "Tschüss" zu verabschieden, etc, all das habe ich in Indien noch nicht gesehen. Das nur so am Rande. Das Protokoll ist einfach ein Anderes.

Das Haus steht in Reihe mit einigen anderen Häusern. Foto vom Balkon. Ja, den gibt es auch.

Auf dem Familienbett. Die Gastfreundschaft ist überwältigend. Die Blumenkränze sind echt und riechen herrlich. Alle sind freundlich. Ich fühl mich gut.

Zwei Nichten hat Sanmati, die Ältere von beiden (so alt wie ich) studiert irgendwas in Richtung Ingenieurwesen, die Jüngere möchte auch studieren. Das ist in Indien nicht selbstverständlich, Frauen in Ingenieurberufen sind ja sogar bei uns selten. Verdammt modern, die Guten.

Es gibt haufenweise leckeres Essen. Die Familie folgt der Jain-Religion: es wird kein Fleisch gegessen, auch keine Eier, und kein Gemüse, bei dessen Ernte die Pflanze oder Tiere zu Schaden kommen, also z.B. keine Kartoffeln oder Zwiebeln. Die Eltern essen auch nicht so spät wie wir, denn nachts fliegen leicht Insekten in das Essen und würden dann auch sterben. Milchprodukte sind aber für fast niemanden in Indien ein Problem, von Buttermilch über Joghurt gibt es also auch hier alles. Alle Zutaten (bis auf wenige Gewürze) kommen von der eigenen Farm. Und der gute Tee ist auch von woanders.
Der typische indische Tee wird, so habe ich erst auf dieser Tour erfahren, nicht in Wasser, sondern in purer Milch gekocht. Wassertee wird hier als minderwertig betrachtet. Das Ganze wird immer mit vielen Gewürzen angereichert (das schmeckt man natürlich sofort), dafür verwendet allerdings keine Hausfrau, die etwas auf sich hält, eine fertige Gewürzmischung, sondern stellt die Gewürze jedes Mal aufs Neue nach dem Familienrezept zusammen.

Die Gastfreundschaft geht sehr weit. Da keines der Zimmer im Haus unseren Gastgebern angemessen schien, hat man uns im Gästehaus des Jain-Tempels im Dorf einquartiert. Als sehr religiöse Familie hat man gute Kontakte hierhin. Sanmatis Bruder mussten wir überreden, nicht bei uns im Zimmer zu übernachten: Er hätte gerne auf uns aufgepasst, falls wir nachts auf einmal noch irgendwelche Wünsche haben.
Das Zimmer ist klimatisiert, hat aber anstatt einer Dusche nur einen Wasserhahn auf Kniehöhe, unter den ich mich zum Waschen hocke. Die meisten Klos, die wir auf dieser Reise sehen, sind von der indischen Bauart, d.h. im Prinzip einfach ein Loch im Boden. An das Hocken und die Linke-Hand-Methode mit Wassereimer werde ich mich nie gewöhnen. Als gerüstete Urlauber haben wir zum Glück stets Klopapier dabei.

Sonntags bekommen wir eine kurze Tempelführung, bevor wir zum Frühstück wieder zur Familie fahren.

Es wird gerade gebaut.

Nach alter Manier arbeiten hier Steinmetze...

...und hauen Kunstvoll Figuren in die Steine.

Viele Jahre Arbeit, in Stein gehauen.

Sanmati wird bald heiraten, die Hochzeit ist im Frühjahr. Die Frau steht allerdings noch nicht fest. Die Familie ist wie gesagt sehr fortschrittlich: Jeder hat die Chance, sich zu verlieben, zumindest innerhalb der Kaste, und dann aus Liebe zu heiraten. Wenn das aber bis zu irgendeinem Alter (Sanmati ist 25) nicht klappt, wird eine Frau von der Familie ausgewählt. Das frisch verheiratete Paar wird in einem neuen Haus wohnen, welches zur Zeit gebaut wird. Wir fahren, um es zu besichtigen.
Kleines Schmankerl am Rande: Arne wurde beim Abschluss seiner Auslandsunfallversicherung für Indien gefragt, ob er vorhabe, in Indien Baustellen zu besichtigen, das sei nicht versichert. Natürlich haben wir das nicht vor. Warum sollten wir in Indien bitteschön Baustellen besichtigen?

Von außen lässt sich erahnen, dass hier ein Palast entstehen soll. Der Vorgarten wird einen Brunnen haben, es wird einen Gärtner geben.

Im Garten wird es einen Swimmingpool und Quartiere für die Bediensteten geben.

Marmorboden und viel Platz gibt es drinnen.

Das Dach wird schön verziert, aber wahrscheinlich nicht als Terasse genutzt werden. Es wird hier im Sommer sehr heiß.

Nett, was?

So ähnlich könnte die Einladung für die Hochzeit aussehen. Von außen...

...und von innen. Schick.

Die Farm können wir auch noch besichtigen.

Arne hat einen Granatapfel gefunden.

Und einen Regenschauer erleben wir, der sich gewaschen hat. Die Kühe flüchten sich zu uns unter das Dach.

Die Stromleitung, die da so unscheinbar rumhängt, hat eine aufregende Geschichte hinter sich. In einem benachbarten Dorf haben die Bewohner jeden Stromausfall genutzt, um schnell die Kabel zu klauen. Sanmatis Papa ist ein guter Geschäftsmann und mag keine Lösungen, die mit Gewalt zu tun haben, und hat deshalb die (ehemaligen) Kabeldiebe als Wächter eingestellt, die jetzt aufpassen, dass die Leitung bleibt, wo sie hingehört.

Rückfahrt. Einige Straßen sind wirklich für Trecker gebaut gemacht.

Nach der Tour über die Felder wird es Zeit für Sanmati, sich schick zu machen und in Schale zu werfen. Denn heute ist der große Tag, an dem er seine womöglich zukünftige Frau zum ersten Mal sieht. Das läuft so ab:
Die Eltern haben nach verschiedenen Kriterien (Kaste, Bildungsgrad, Wirtschaftslage, gleiches Alter, gutes Aussehen) eine mögliche Frau ausgewählt, die mitsamt ihrer Familie zu einer Art Vorstellungsgespräch geladen wird. Wir dürfen dabei sein. Die Papas unterhalten sich, die Mamas, Schwestern und wer sonst noch so dabei ist auch, und Sanmati und die mögliche neue Frau sprechen auch miteinander. Das klingt alles sehr abgefahren.
Was nichts daran ändert, dass Sanmati ja genauso Mensch ist wie wir alle, und ich in der Situation genauso reagieren würde. Aufgeregt, angespannt, und was zum Teufel soll man mit einer Frau besprechen, wenn man wenige Minuten Zeit hat, zu entscheiden, ob man sie heiraten möchte? Mögliche Dinge, die ich sagen würde:

Und, wie gehts dir, hattet ihr eine gute Fahrt?
Ah, cool.
...
Ähm...
Wie heißt du eigentlich nochmal?
Ahja, genau. Ich erinnere mich.
Und was machst du so? Also, so arbeitstechnisch?
Ahja. Interessant.
Hmm.
Und, äh, was für Musik hörst du gerne?
Ahja, alles so ein bisschen. Jaja, geht mir auch so.
-Peinliche Stille-
Hm, joa, lass mal zu den anderen gehen, oder?

Richtig begeistert ist er natürlich nicht von der jungen Dame, der Funken konnte in der kurzen Zeit wohl noch nicht wirklich überspringen, Liebe auf den ersten Blick war von den Erfindern anders gedacht. Die Eltern von Sanmati finden ihren Vorschlag aber nach wie vor toll. Die Schwester nicht. Die endgültige Entscheidung wird in der Familie mehr oder weniger demokratisch entschieden, nachdem sich weitere mögliche Frauen vorstellen konnten. Unsere Meinung wurde auch erfragt. Tja, was soll ich sagen. Ganz nett war sie wohl, aber in der kurzen Zeit hat sie auch mich nicht vom Hocker reißen können. Welche Frau hätte das auch tun sollen?

Nachdem die andere Familie abgereist ist, zieht sich die Familie zur Besprechung für ein Weilchen zurück. Arne und ich werden wieder ins Gästehaus gebracht, das trifft sich gut, wir sind hundemüde. Im Tempel treffen wir einen spirituellen Menschen, quasi den Tempelheiligen. Wie wir erfahren, tragen spirituelle Jains (nicht die normalen Leute, nur Geistliche) entweder immer weiß und einen Atemschutz, der verhindert, dass Insekten u.ä. eingeatmet werden und dabei sterben, oder aber sie tragen niemals Kleidung. Der Mann, den wir treffen, gehört zur zweiten Gruppe, und sitzt nackt im Schneidersitz auf einem Holzmöbel, wo die Leute vor ihn treten, sich vor ihm verneigen und danach mit ihm sprechen können. Wir werden ihm auch vorgestellt, er erzählt uns von Jains in Deutschland und einigen Deutschen, die in Indien einen Jain-Tempel mitfinanziert haben.

Abendessen gibt es wieder bei der Familie, es ist wieder saugut und reichhaltig. Wir hatten Sanmati gebeten, bei der Mutter Alltagsessen zu bestellen, wir wollen das normale Familienleben sehen und keine abgefahrenen Sachen, die es sonst nie gibt. Interessanterweise schmecken viele Alltagssachen wieder sehr ähnlich wie alltägliche deutsche Gerichte. Die Kartoffelparathas schmecken ein bisschen wie sehr leckere Kartoffelpuffer, und zum Gemüse gibt es als Beilage kleine Gebäckkügelchen, die sehr an Roggenbrötchen erinnern. Vieles kennen wir im Prinzip schon aus der Mensa, aber es schmeckt doch ganz anders, wenn eine Hausfrau mit Liebe kocht. Wir essen, bis wir pappsatt sind. Und dann noch ein bisschen mehr. Mjam, lecker.

Der Montag wird anstrengend, aber höchst interessant und kulinarisch. Sanmati ist selbst ja auch nur für ein paar Tage zu Hause, und besucht wie immer so viele Mitglieder von seiner Familie, wie es geht. Viele Onkels, Tanten und was auch immer wohnen in den umliegenden Dörfern. Wir sind dabei.
Bevor es losgehen kann, muss aber erst noch ein anderes Auto organisiert werden, denn der Reifen ist platt. Das passiert bei den Straßen hier natürlich öfter. Wir überbrücken die Zeit, indem ich im benachbarten Klamottenladen kurz meine Mails lese. Wir wollen bald in Mumbai Besuch bekommen und es gibt noch etwas zu organisieren, dazu später mehr. Außerdem unterhalten wir uns in dem Laden noch mit dem Bürgermeister der Stadt, sehen uns danach die Urlaubsfotos des Ladenbesitzers an (er war im Himalaya bei irgendeinem Tempel), trinken noch einen Tee, Arne lässt sich neue (engere) Gürtellöcher stechen, kauft noch ein paar Sachen, die er glaubt, in Mumbai vergessen zu haben (und dann doch in seiner Reisetasche wiederfindet), und schon ist irgendein anderes Auto von irgendeinem netten Familienmitglied bereit, uns durch den Tag zu fahren. So eine funktionierende Familie ist was tolles.

Der Fahrer kutschiert uns den Tag über. Selbst fahren tut man nicht, Arbeit ist so wunderbar billig hier. Der gute Mann fährt schon seit Jahren für die Familie; er war vorher LKW-Fahrer, kann aber als Chauffeur nachts oft bei seiner Familie bleiben, und ist deshalb sehr glücklich über den Job, auch wenn er weniger verdient.
Sanmati betet vor dem Losfahren. Ich erlebe selten Menschen oder gar Familien, die es mit der Religion wirklich ernst meinen. Das hier ist so ein Fall. Auch wenn Sanmati von seinen zukünftigen Geschäftsplänen erzählt, habe ich den Eindruck, hier will jemand wirklich ein Leben mit Sinn führen. Guter Mann. Schade, dass wir nur ein paar Tage Zeit haben und ich die meiste Zeit vor lauter Eindrücken platt und müde bin. Über so viele wirklich wichtige Dinge hätte man miteinander reden können, so viele Dinge würde ich gerne auch aus einer (wirklich durchdachten) indischen Perspektive sehen... Vielleicht an einem anderen Tag, in einem anderen Jahr.

Bei Verwandten zu Besuch. Die Küche sieht der von Sanmatis Mama zumindest ähnlich. Die Hausfrauen halten sich im Hintergrund auf.

Auf einmal stehen wir wieder auf einer Baustelle. Hier entsteht noch ein neues Haus. Wir reden mit dem stolzen Bauherren über deutsche und indische Häuser. Ja, man baut hier weitläufiger, denn es gibt keine Heizkosten. Und nein, mir gefallen deutsche Häuser trotzdem besser. Aber das Letztere behalte ich für mich.

Es gibt den ganzen Tag über bei verschiedensten Leuten verschiedenstes Essen. Sanmati hat sich bemüht, die Essensmenge für uns erträglich klein zu halten und einen Teil der Verwandten zu überzeugen, nur Tee zu servieren. Das klappt ganz gut, wir essen zwar viel zu viel, aber können wenigstens alles probieren, was uns an den verschiedenen Stationen angeboten wird.
Wir tingeln von Haus zu Haus, die Kinder flippen völlig aus, alle sind fröhlich, alle kommunizieren mit uns (auf englisch oder einfach mit Händen und Füßen), wir verewigen und in einem Poesiealbum, überall fragt man uns, wann (nicht ob) wir wiederkommen, und überall ist es schön. Mir platzt der Kopf. Ich will schlafen, aber ich will nichts verpassen. Ich bin pappsatt, aber ich will nichts verpassen. Ich will nur kurz meine Ruhe haben, aber...

Zum Abschied bekommen wir einen roten Punkt auf die Stirn (bestehend aus roter Farbe, an der noch ein paar Reiskörner und Glitzerzeug festgepappt wird), und man schenkt uns eine Kokosnuss (herrlich) und eine Schatulle mit einer echten Münze aus massivem Silber, auf der indische Gottheiten und ein gutes Mantra eingeprägt sind (oha!). Sanmati bekommt das gleiche Geschenk, er ist ja auch zu Gast da. Ablehnen kommt natürlich überhaupt nicht in Frage, das Geschenk ist so für uns vorbereitet worden. Verdammt, seid ihr gastfreundlich. Das sind Maßstäbe, in denen die deutsche (oder überhaupt irgendeine europäische) Gastfreundschaft winzig klein zusammenschrumpft. Schenken wir unseren Gästen eigentlich überhaupt etwas zum Abschied? Einen Umschlag mit einem netten Abschiedsgruß und einem Geldschein wird uns (und auch Sanmati) zum Schluss noch zugesteckt.

An dieser Stelle geht mir mein Projektbetreuer (nennen wir ihn Herr A) aus Aachen durch den Kopf, der mich fragte, warum ich überhaupt zum Studium in ein Entwicklungsland fahren wolle, wo doch alle Menschen aus den Entwicklungsländern unbedingt nach Europa wollten.
Das wohlhabende Kind aus dem Traumland Europa besucht seine armen Freunde im Entwicklungsland, die unbedingt weg wollen? Nein, mein lieber Herr A, das sieht anders aus.

Zwischen den ganzen Familienstationen besuchen wir noch ein paar heilige Stätten. Ein Tempel ist dabei, zu dem viele Menschen von weit her zu Fuß gepilgert kommen. Ein paar Frauen sind auf dem Platz in der Mitte, die von Dämonen besessen sind und in wilden Verrenkungen schreien und klagen. Drumherum stehen Inder, klatschen und musizieren, es brennen Räucherstäbchen, es wird drumherum den Göttern gehuldigt, Händler verkaufen vor dem Eingang praktische Sets mit allerlei Zeug drin, die am Stück gekauft und genauso am Stück auch geopfert werden können.
Im Haus eines Onkels (glaube ich?) ist außerdem ein besonderer Altar, der einem Großvater aus der Familie gewidmet ist. Es gibt wahnsinnig viele Götter, und auch die verstorbenen Ahnen sind Teil der Hierarchie im Himmel, sodass man zu ihnen beten kann. Jeder Gott hat seine Aufgabe und seinen Platz in der Hierarchie, wenn man etwas Bestimmtes möchte, ist es also gut, den richtigen Gott anzurufen, sodass das Gebet nicht in der Bürokratie des Himmels verloren geht. Natürlich sollte man nicht mit jedem unwichtigen Wunsch einen hoch gestellten Gott belästigen, und ein gutes Wort vom Opa da oben hilft bestimmt auch. Ein Bild von ihm steht auf dem Altar.
Das klingt abgefahren, aber so richtig frei von solchen Dingen ist der christliche Glaube ja auch nicht, mit all den heiligen, seligen und wasauchimmerfür Menschen, die wir zwar niemals Götter nennen, zu denen aber auch manchmal Leute beten, irgendwie, aber irgendwie ja doch zu Gott, und eigentlich braucht man einen Theologen, um zu erklären, wieso wir nur den einen Gott haben, aber doch Jesus verehren und die heilige Jungfrau Maria in Not rufen, die Dorffeuerwehr ihren Lieblingsheiligen auf das Haus malt, und überhaupt. Wenn ich mich mit Indern über so etwas ernsthaft unterhalte, sind all diese verrückten Sachen plötzlich doch nicht mehr viel verrückter als bei uns.

Das Abendessen ist wieder bei Sanmati zu Hause, außerdem ist da schon das Bild von der nächsten Frau, die sich bald vorstellen wird. Zugegeben, das ist wirklich abgefahren.

Am Dienstag schließlich (gute Güte, der Eintrag wird lang) steht kein Familienmitglied mehr auf dem Plan. Das ist gut so, denn mein Magen mag mich heute nicht. Ich habe mich gestern irgendwie überfressen und habe den Tag über keinen Hunger und mein Bauch blubbert und verhält sich komisch. Nach dem Checkout im Tempelgästehaus läuft uns noch der spirituelle nackte Mann über den Weg. Er schenkt uns zum Abschied noch ein gerahmtes Foto von sich.
Wir fahren mit dem Auto zu einem berühmten Fort, etwa 400km weit weg. Ich nutze unterwegs jedes verfügbare Klo aus. Ganz schön nervig. Länder mit fies dreckigen Sanitäranlagen sind ja leider oft auch Länder mit häufigen Verdauungsproblemen. Diese Korrelation ist natürlich und leicht zu erklären, aber wird dadurch nicht weniger stressig. Und nein, die indischen Klos mag ich immer noch nicht. Und die Eimer-Hand-Methode auch nicht. Inzwischen ist auch das Klopapier alle. Na toll.
Gegen Mittag geht es zum Glück wieder. In einem Restaurant am Expressway gibt es ein westliches Klo (die lustige Bauart, bei der man zwar eine Schüssel hat, der Rand der Schüssel aber so breit ausgeführt ist, dass man sich trotzdem noch obenauf hinhocken kann, wenn man denn unbedingt hocken will), während meines Aufenthaltes sterben viele Mücken einen gewaltsamen Tod. Danach sind meine Probleme verschwunden, d.h. das Essen gestern war wohl nicht verunreinigt (hätte mich auch gewundert, es war immerhin in der Familie), und es waren nur etwas viele Linsen im Spiel.

Weiter geht es, über den Expressway. Auch so können Straßen in Indien aussehen! Vier Spuren, tadellos in Schuss, und nur alle paar Kilometer mal eine Kuh, der man ausweichen muss. Die Straße ist mautpflichtig.

Zur Regenzeit unterwegs im Wüstenstaat Rajasthan.

Da kommt einem auch schonmal ein lustiger Mann mit rotem Turban und vielen Schafen entgegen.

Oder eine Kamelkarawane.

Wir haben an Bord die nette Nichte von Sanmati, die Ingenieurin werden will (sie heißt Parul), und noch jemanden (Bruder war es nicht, vielleicht Neffe, irgendsowas), beide wollen zum College, das liegt ganz in der Nähe von dem Fort, was wir dann besichtigen wollen, und einem Tempel, in dem Sanmati noch beten möchte, bevor er nach Bahrein fährt. Sehr effizient, wir erschlagen viele Fliegen mit einer Fahrt. Wir kippen also die zwei im College ab. Parul hat mich noch drum gebeten mitzuspielen, sie will sich einen Spaß machen und mich ihren Freundinnen als ihren neuen Freund vorstellen. Ich mache mit. Ganz lustig, es scheint geklappt zu haben.

Im Fort sind so alte Gebäude, die ein indischer Herrscher mal hat bauen lassen. Lange her. Geschichte kann man sich im Wikipedia-Artikel anschauen, wenn man will.

Nur ein Wildschwein. Trotzdem interessant. Oink.

Sanmati mit, ähm, ich glaube Bruder. So viele Leute in den letzten Tagen, ich habe keinen Überblick. Der Herr rechts ist unser Fremdenführer im Fort. Sanmati hat es geschafft, dass wir nur den Eintrittspreis für Inder (Rs 5) zahlen, nicht den für Ausländer (Rs 100). Dafür braucht man unsere indischen Studentenausweise und viel Verhandlungsgeschick. Der Führer wird dann auch billig, und ist nichtmal uninteressant.

Ganz schön, so.

Und Ausblick hat man auch, ist ja auf einem Hügel.

Affe vor Sonnenuntergang. In Echt (oder mit einer guten Kamera) sieht das aus wie in einem Disney-Film. Schon fast kitschig, das Bild.
Ich mag es trotzdem.

Nach dem Fort fahren wir zu einem Tempel, in dem Sanmati quasi "Schulden" hat: Er hat in eben jenem Tempel, der sehr mächtig sein soll, um etwas gebeten, was dann auch eingetreten ist. Er hat damals dem Gott versprochen, im Falle der Wunscherfüllung wieder zurückzukehren, das tut er hiermit. Der Tempel ist sehr berühmt, zu bestimmten Festen pilgern hier an einem Tag 500.000 Menschen hin, erhalten Speis und Trank, beten und feiern. Heute ist nicht so viel los, der Tempel selbst ist trotzdem voll. Es ist unglaublich laut, es wird getrommelt und geklatscht, Diskolautstärke, gute und ausgelassene Stimmung. Alles bunt. Und irgendwo mittendrin liegt ein Kind auf dem Boden und schläft seelenruhig vor sich hin. Die Inder sind unglaublich.

Nach dem Besuch des Tempels kehren wir in der Nähe in einem Restaurant ein, welches bei mir sehr gemischte Gefühle hinterlässt. Es ist weithin berühmt für das gute Essen, welches aber sehr bodenständig, günstig und auch für den einfachsten Lastwagenfahrer am Highway bezahlbar angeboten wird. Das Ambiente ist dementsprechend sehr einfach gehalten, es sieht aus wie eine Lagerhalle. Das Essen schmeckt tatsächlich gut, wahrscheinlich kostet es so gut wie nichts (die Rechnung bekommen wir natürlich wieder nicht zu Gesicht) und scheint auch sauber gewesen zu sein, ich hatte keine Beschwerden. Das Klo war allerdings das widerlichste, welches ich bisher in meinem Leben benutzt habe, es gab danach keine Seife (vermutlich auch für die Bediensteten nicht), und es gibt wieder die leckeren Roggenbrötchen. Die sind wirklich lecker, außen schön knusprig, innen schön weich, tolle Soße dazu. Der besondere Service: Der Kellner zerdrückt es mit seiner Hand auf dem Teller des Gastes und zerreibt es mit seinen Fingern zu kleinen Krümeln, sodass es mehr Soße aufnehmen kann. Wie nett.
Aber lecker wars trotzdem. Und ich bin wieder hundemüde. Die Reizüberflutung der letzten Tage schlaucht.

Der Fahrer bringt uns sicher zu einem weiteren Haus, welches der Familie gehört und in der Nähe des Bahnhofs ist. Wir kommen mitten in der Nacht an.

Der Fahrer rangiert in mehreren Zügen von der Zufahrtstraße (hinten quer vor der Mauer) in die Einfahrt, um uns auch die letzten Meter zu ersparen.
Von hier geht es am Mittwoch Morgen wieder los zum Bahnhof von Kota. Wir frühstücken im Auto leckere kleine Gebäckkügelchen, die vor allem mit Koriander, aber auch ein paar anderen gemüsigen Sachen gefüllt sind. Sanmati hat sie in einem Restaurant gekauft, sie kommen wie fast alle Snacks in Indien eingewickelt in einem Stück gewöhnlichen Zeitungspapier (wer die Zeitung wohl mal gelesen hat?), so hat man nach dem Essen noch einen Fetzen Lesestoff. Boulevardnachrichten über Heidi Klum, und ein Artikel, warum man im Ausland (also außerhalb von Indien) ständig mit Verdauungsproblemen zu kämpfen hat: Es fehlen dort einfach die Gewürze, die für den Verdauungstrakt so wichtig sind und wertvolle Mineralien enthalten. Soso.
Unser Zug kommt bei der Abfahrt etwa 40 Minuten zu spät, wir warten so lange im Upper-Class-Aufenthaltsraum, denn da werden wir nicht von Kindern angebettelt. Eine alte Frau feudelt den Raum mit einem Wischmob etwas sauber und braucht danach von irgendeinem Wartenden eine Unterschrift, die bestätigt, dass sie ihre Arbeit getan hat. Sie läuft von einem Menschen zum Nächsten, bis sich Sanmati schließlich erbarmt und unterschreibt. Ich stelle mir das gerade in der DB Comfort Lounge in Frankfurt HBF vor, eigentlich ganz lustig.

Mittags besteigen wir den Zug in Richtung Mumbai. Abfahrt gegen 12, Ankunft morgens um 4.

Ein kleiner Einschub, er passt gerade thematisch nirgendwo besser rein:
Überall in den Städten liegt in Indien Müll. Mumbai ist besonders schlimm. Ich habe mich mit Sanmati darüber unterhalten, ihm ist die Problematik auch bewusst. So richtig aber erst, nachdem er auf dem IIT Campus eine müllfreie Umgebung kennen gelernt hat, vorher war der Dreck einfach selbstverständlich. Sogar einen Polizisten beobachten wir auf dem Bahnhof, der einfach so Müll auf den Bahnsteig fallen lässt. Sanmati ist genauso verwundert wie ich und auch ein Stück weit wütend. Die Inder tuen sich hier Schlimmes an, es könnte sauber alles so viel schöner sein. Sanmati selbst sehe ich übrigens alles immer brav bis zum nächsten Mülleimer tragen (der lässt in Indien aber oft den ganzen Tag auf sich warten, auch an öffentlichen Plätzen!), ich werde mir daran ein Beispiel nehmen und wieder zu europäischen Gewohnheiten zurückkehren, nachdem auch bei uns die Sitten in den letzten Monaten etwas erodiert sind...

So. Zurück zum Thema, Zug nach Mumbai.

Im Speisewagen kann man allerlei Köstlichkeiten für fast kein Geld bestellen.


Der freundliche Mann in der Küche bereitet sie dann frisch zu.

An Bord kann man auch fast jederzeit Tee, Kaffee, Mangosaft und Wasser kaufen, das ganze wird von einem Bahnbediensteten in festen Zeitintervallen angeboten. In den unteren Klassen bricht bei jedem Bahnhof der Schwall von externen Verkäufern zur Tür rein, sodass jeder Versucht, lauter als der andere sein Wasser an den Mann zu bringen. Dagegen ist die fast zurückhaltende Art des offiziellen Verkäufers eine Wohltat.
Wir kommen mit Sanmati auf das Wasser zu sprechen. Als Tourist ist man angehalten, stets beim Kauf das Siegel zu überprüfen, da ein gebrochenes Siegel bedeutet, dass die Flasche vom Händler mit Leitungswasser nachgefüllt wurde, welches für die verwöhnten westlichen Immunsysteme ja ein großes Problem ist. Deshalb steht auf den Flaschen auch, man solle sie nach der Benutzung zerdrücken, um illegale Benutzung zu verhindern.
Die andere Seite der Medaille ist nun aber die: ärmere indische Reisende in den niederen Klassen wollen oft gar kein teures Leitungswasser, sondern kaufen ganz bewusst im Zug das abgefüllte Leitungswasser. Wenn einem westlichen Tourist also eine wiederaufgefüllte Flasche angeboten wird, muss das nicht in böswilliger Absicht geschehen: Der Verkäufer versteht vielleicht gar nicht, warum der westliche Tourist kein Leitungswasser trinken will, und bietet ihm deshalb das billigere Wasser an. Wenn der Tourist weiß, dass die Flasche Wasser für diesen Preis nur nachgefüllt sein kann, gibt es damit auch kein Problem.
Aber weiß der Tourist das? Also hier nochmal zum Mitschreiben: Eine Originalflasche kostet 12 Rupien oder mehr, alles darunter ist Leitungswasser.
Ich schaue weiterhin lieber auf das Siegel.

Bei Ankunft ist der Zug 40 Minuten zu früh. Sanmati sieht zufällig aus dem Fenster (nachts um 4, wohlgemerkt. Arne und ich schlafen tief und fest) und sieht, dass unser Zug schon im Bahnhof steht. Wir steigen hastig aus, bevor der Zug weiter fährt. Knapp.
Vor dem Bahnhof erlebt Sanmati etwas ganz Neues. Wir sind bei ihm, und auf einmal sind die Rikschafahrer nicht mehr kooperativ. Den Weg zum Bushof bekommt er von ihnen nicht heraus, und den Preis kann man mit blonden Touristen im Schlepptau auch nicht mehr auf ein Niveau drücken, das er gewöhnt ist. Wir würden schon bezahlen, sagt man ihm (auf Hindi). 700 Rupien soll die Fahrt anfangs kosten, ein paar Straßen und eine halbe Stunde später finden wir einen Fahrer, der uns für 250 mitnimmt. Nach Hause, leider nicht ins Bett. Denn: In meinem Zimmer wartet bereits Besuch.