Dienstag, 15. Juni 2010

Das Plastik mit dem Apfel

Das Leben steckt voller Überraschungen.
Sonntag Abend war gerade dabei, sehr gut zu werden. Das Programm für mein Projekt hat auf einmal funktioniert, ich habe überraschend schnell mit mehr Glück als Verstand an den richtigen Stellen gefrickelt und auf einmal lief alles. Und das, wo ich noch zwei Wochen Zeit habe. Genug Zeit zum Dokumentieren, Testen und Vergleichen. Voller Stolz bin ich mit meinem Laptop rüber zu Arne und habe es ihm gezeigt. Danach sage ich mir: besser mal ein Backup von dem ganzen Kram machen, jetzt wo alles geht.
Konsole zum Kopieren geöffnet - reagiert nicht. Alle Programme stürzen nach und nach ab. Rechner reagiert nicht mehr. Reset - fährt nicht mehr hoch. Komische Geräusche aus dem Macbook.

Festplatte kaputt.
Musik: weg.
Arbeit: weg.
Laune im Keller.

Deutschland - Australien: 4 - 0.
Laune immer noch im Keller.

Am nächsten Tag startet das Projekt "Macbook-Wiederbelebung". Dafür brauche ich nur eine interne 2.5 Zoll Festplatte. Einfach. Und einen Schraubenzieher für extrem winzige Kreuzschlitzschrauben und Torx. Auch einfach. Zumindest wenn man zu Hause ist und weiß wer sowas hat.

Prof. Kannan ist zur Zeit nicht da, stattdessen Professor Chittur aus Alabama; er hat am IIT studiert und ist seit den 70er Jahren in den USA - inzwischen als Prof. Mit ihm wollen wir uns sowieso am Morgen treffen, um ihm den aktuellen Stand unserer Arbeit zu geben. Er organisiert uns einen Schraubenzieher in der passenden Größe. Dass ich den so schnell bekomme hätte ich nicht gedacht. Danach kommt der schwierige Teil. Für mehr Anschauung habe ich eine kleine Karte gemalt.

Wo gibt es Festplatten? Na klar, im Elektronikmarkt. Ein angeblich sehr guter Elektroladen ist Croma. Wir schnappen uns eine Rikscha und düsen hin. Dauert eine gute halbe Stunde.
Bei Croma gibt es alles: Waschmaschinen, Toaster, Küchen, iMac und Macbook, Kopfhörer... Aber keine Einzelteile. Festplatten: Fehlanzeige. Man rät uns, es in der R-Mall zu probieren. Oder nach Hiranandani zu fahren, da gäbe es einen Apple-Support. Wo kommen wir eigentlich gerade her?

10 Minuten später in der R-Mall ein weiterer Elektronikmarkt. Wieder keine Festplatten. Man schickt uns zu Croma, da gäbe es so etwas.

Wir nehmen stattdessen den Zug nach Dadar und steigen dort um in einen weiteren Zug zur Grant Road. Inzwischen sind wir Zugfahrexperten. Wir kaufen uns keine Fahrkarten mehr sondern ein Couponheft. Darin sind lauter einzelne Scheine à 1 Rupie, auf einer Karte sind die Fahrpreise verzeichnet. Unsere Strecke kostet Rs 8, wir stempeln also 8 Scheinchen ab und quetschen uns in den nächsten Zug. Gepäckabteil. Nach nur 2.5 Stunden sind wir da. Hier in der Nähe gäbe es eine Straße voller Elektronikläden, Ankit hat hier seinen Computer gekauft. Wir finden uns wieder in einer Straße voller Verkaufsstände, es gibt hier Hosen, Schuhe, unendlich viele Menschen (ungefähr so dicht wie auf dem Weihnachtsmarkt) und dazwischen noch Taxis und Mofas. Mir platzt der Schädel, überall Menschen. Und ich will doch nur eine verdammte Festplatte. Inzwischen ist schon 16 Uhr, wir sind den ganzen Tag unterwegs.

Endlich Land in Sicht: In einer Seitenstraße ist alles voll mit kleinen Läden (jeweils ungefähr so groß wie ein kleiner Dönerladen) die allesamt Hardware verkaufen. Wir nehmen den erstbesten Laden, das Angebot stimmt. Kaufen und zurück.

Nochmal umsteigen, zwei Stunden Bahn. Ein hungerndes Kind bettelt mich an und will etwas zu Essen. Ich habe nichts. Nur miese Laune. Immerhin ist mein Rechner gerade kaputt. Rikscha zum Wohnheim. Notebook schnappen, ins Labor, Festplatte einbauen. Essen, schlafen. Das war der ganze Tag.

Der nächste Tag geht fast komplett mit der Installation drauf, die natürlich nicht reibungslos läuft. Außerdem sitzen wir über 2 Stunden bei Chittur im Büro und reden über dies und das - Indien, Europa, die USA, wie er damals nach Amerika kam... Kann man sich vorstellen, in Deutschland mit einem Prof stundenlang und völlig ungezwungen einfach so über Gott und die Welt zu reden?

Später noch mit einem weiteren Äthiopier von unserer Etage beim Tiffin (Nachmittagstee) in der Kantine verquatscht. Sein Vater ist gestorben als er ganz klein war, er arbeitet seit er 10 Jahre alt ist; seine Schwester muss zur Zeit mehr arbeiten, damit er studieren kann. Es geht ihm sehr gut.

Und ich habe Probleme, denn meine Musiksammlung ist weg.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen